Ján Cikker (1911-1989):

Rozsudok

deutsch Das Erdbeben in Chile

Allgemeine Angaben zur Oper

Zur Oper

Art: Oper in drei Aufzügen und 5 Bildern
Libretto: Ján Cikker nach Heinrich von Kleist
Ort: Santiago de Chile
Zeit: 1646-47

Personen der Handlung

Don Henrico Asteron: wohlhabender Bürger in Santiago de Chile
Isabell: seine Tochter
Lorenzo Rugera: der Hauslehrer
Pepita: die Haushälterin
Die Vorsteherin des Klosters
Laetitia: Mutter Superior
Hauptrichter

Handlung

1. Akt:

Erstes Bild.
Wohlbehütet wächst Isabell in der Villa ihres Vaters auf. Don Henrico Asteron ist ein angesehener Bürger seiner Heimatstadt Santiago de Chile und um das Wohl seiner Tochter besorgt. Zwischen ihrem Hauslehrer und Isabell entwickelt sich eine innige Vertrautheit, welche der Vater argwöhnisch beobachtet und von der Umwelt missgünstig quittiert wird. Nur Pepita, die Amme, hält zu den Liebenden.

Der Hochmut des Vaters, der Lorenzo als nicht standesgemäßen Schwiegersohn ansehen würde, wird unerträglich, so dass Isabel die Flucht aus dem Elternhaus in Erwägung zieht. Die verbalen Auseinandersetzungen gipfeln in ununterbrochenen Beschuldigungen und erreichen ihren Höhepunkt, als Don Henrico einen Schuss aus seiner Pistole auf den Hauslehrer abgibt und diesen zur Flucht zwingt. Um weitere Kontakte mit den beiden zu unterbinden, trifft der Vater die Entscheidung, die Tochter in ein Kloster zu geben. Isabell bittet um Verzeihung und appelliert an den Vater, seinen Groll zu mäßigen. Der Auftritt der Amme, der allgegenwärtigen Güte in Person, glättet die Wogen für den Moment.

Zweites Bild.
Ein Jahr ist vergangen. Die Tochter musste sich dem Willen des autoritären Vaters unterwerfen. Der Vater hat seinen Beschluss umgesetzt und Isabell in die Obhut eines Klosters gegeben.

Das rhythmische Gemurmel des gemeinsamen Gebetes und die liturgischen Gesänge schaffen eine Atmosphäre scheinbaren Friedens. Lorenzo hatte die Spur aufgenommen und das Wohlwollen von Schwester Laetitia errungen, die den im Schutz der Dunkelheit Eintretenden verbirgt, um ein Wiedersehen der beiden Liebenden zu ermöglichen. Die Nonnen, unter denen sich auch Isabell befindet kehren langsam in ihre Zellen zurück. Isabell gelingt es, aus der Gruppe auszuscheren und sich im Klostergarten zu verstecken. Die zu erwartende Begegnung steigert sich in ihrem Innern zu unerträglicher Anspannung. Es ist so weit, ihr Dialog spricht von Liebe und Pein, von der unerfüllten und durch Klostermauern getrennten Liebe dieser beiden jungen Menschen. Die Oberin und Schwester Laetitia treten auf. Die sichtbare Angst der letzteren Vor Entdeckung der Liebenden lässt in der Äbtissin unklare Befürchtungen auftauchen. Der Dialog der beiden wirft einen Blick auf das traurige Leben hinter Klostermauern.

2. Akt:

Drittes Bild.
Isabell hatte im Kloster ein Kind zur Welt gebracht und damit gegen kirchliche und weltliche Gesetze verstoßen. Sie ist ins Gefängnis eingeliefert worden und spürt die Todesnähe. In ihren Visionen erscheint ihr die tote Mutter und Gestalten, die Richtern ähnlich sehen, mysteriöse Beschuldigungen formulieren, Anklage erheben und über sie das Todesurteil sprechen. Ihr Vater erscheint ihr ebenfalls im Traum. Er steht vor einem Thron und bittet um Gnade für seine Tochter. Don Henrico war zum Vizekönig geeilt, doch der Bitte des Edelmannes, das Eingestehen eigener Schuld und der Reue und Sühnebereitschaft der Tochter steht der Hüter der richterlichen Gewalt taub gegenüber. Traum und Wirklichkeit vermischen sich. Die Stimme Lorenzos erklingt voller Liebe und Zärtlichkeit. Er gerät in die Hände der Gefängniswärter. Vom Aufseher wird er gezüchtigt und dann aus der Stadt gejagt. Die Visionen verklären sich. Isabell sieht sich selbst in einem Tanz mit Lorenzo auf einer Wolke, ein Bild voller Poesie. Spukgestalten erscheinen, tanzen um sie herum und entführen Lorenzo. Isabell, obwohl sie sich wehrt, wird von den Ungetümen mitgerissen. Eine Orgie von Dämonen und Hexen, ein Traum aus dem Jenseits! Don Henrico liegt im Sterben, vermacht dem Enkel sein Vermögen und bittet Pepita, das Kind durchs Leben zu führen. Der Chor im Hintergrund kommentiert das Geschehen.

3. Akt:

Viertes Bild.
In der Mitte des Richtplatzes hat man einen Galgen aufgebaut. Neugierige wollen dem blutigen Schauspiel zusehen und nehmen gegen Entgelt ihre Plätze ein. Die Menge gibt sich gleichgültig und gefühllos gegen das Schicksal der Betroffenen. Über die Grausamkeit und über den unerhörten Zynismus der Massen wölbt sich Pepitas Gesang als Ausdruck eines reinen und aufrichtigen Mitgefühls und Leids. Das Gefolge der verurteilten Isabell erscheint. Ihnen folgt Lorenzo, der mit einem wehmütigen Gesang
Isabells letzten Weg auf das Schafott begleitet. Der Henker erhält den Befehl, das Urteil zu vollziehen. Das Verhalten der Menge ist hasserfüllt und mitleidlos gegen die Verurteilte. Lorenzos Abschiedslied von der Geliebten durchdringt das Mysteriums des Grauens.

In diesem Moment ertönt ein heftiges Beben. Die Erde erzittert, die Bänke, auf denen die Zuschauer sitzen, brechen zusammen. Häuser stürzen ein. Tote und Verwundete liegen um das Schafott herum. Die Menschen geraten in Panik und flüchten in alle Richtungen. Das Orchester entwickelt sich zur vollen Dynamik und kommentiert den apokalyptischen Schauer. Nur Isabell bleibt regungslos auf dem Schafott knien, mit dem Kopf auf dem Klotz. Pepita und Lorenzo beeilen sich Isabell die Fesseln abzunehmen und verschwinden mit ihr.

Fünftes Bild.
Auf einer sonnigen Wiese sitzen Isabell und Lorenzo mit dem Kind. Isabells Gedanken beschäftigen sich noch mit den durchgestandenen Qualen der vergangenen Tage. Sie wird von Lorenzo getröstet. Pepita erscheint und zieht aus einem Körbchen ein Kleid für Isabell hervor. Die Welt scheint wieder in Ordnung zu sein. Doch der Schein trügt.

Am Waldrand erscheint zunächst eine kleine Gruppe von Bettlern, die Isabell und Lorenzo wiedererkennen. Mönche erscheinen, gefolgt von Flagellanten. Es wird zum heiligen Jakob gebetet. Die Stimmung heizt sich auf. Ein Mann namens Pedrillo fühlt sich als Richter und hetzt mit seinen Hasstiraden die Menge so lange auf, bis diese sich zum Mord an dem Liebespaar hinreißen lässt.

Beschreibung

Des Dichters und des Komponisten Anliegen ist es, nach den Ursachen des Bösen und der menschlichen Qual zu suchen. Manchmal greift das Schicksal schützend ein und mobilisiert eine Naturkatastrophe. Ein anderes Mal wütet es, ohne dass eine Logik oder ein Zusammenhang zu erkennen ist. Das Libretto, dem die Novelle von Heinrich Kleist zugrunde liegt, schildert in geraffter Form das Schicksal zweier Liebender, die dem Hass einer gefühllosen und grausamen Masse hilflos ausgeliefert sind. Im Zusammenklang zwischen Dichtung und Musik wird die Frage über die Beschaffenheit einer Weltordnung und deren Auswüchse gestellt. Die Oper verursacht ein tiefes Nachdenken. Der armenische Komponist Awet Terterjan (1929-1994) hat den Stoff ebenfalls vertont.


Letzte Änderung am 21.10.2005
Beitrag von Engelbert Hellen