Modest Petrowitsch Mussorgski (1839-1881):

Chowanschtschina [Хованщина]

deutsch Die Fürsten Chowanski / englisch Khovanshchina / französisch La Khovanchtchina

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1872-80
Uraufführung: 21. Februar 1886 (9. Februar 1886) in St. Petersburg - in der Fassung von Nikolai Rimski-Korsakow
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 180 Minuten
Erstdruck: Petrograd: Bessel & Co., um 1900
Verlag: Moskau: Staatsmusikverlag, 1931
Hamburg: Sikorski, 1965
Moskau: Muzyka, 1973
München: Musikproduktion Höflich, 2007
Bemerkung: Vervollständigung der Orchestrierung von Igor Strawinski, Nikolai Rimski-Korsakow und Maurice Ravel.

Zur Oper

Art: Musikalisches Volksdrama in fünf Akten
Libretto: Wladimir Stassow
Sprache: russisch
Ort: Moskau und Umgebung
Zeit: 1682-89 (während des Moskauer Aufstands)

Personen der Handlung

Fürst Iwan Chowanski: Anführer der Strelizen (Bass)
Fürst Andrei Chowanski: sein Sohn (Heldentenor)
Fürst Wassili Golitzyn: Oberbefehlshaber der Armee (lyrischer Tenor)
Schaklowiti: ein Bojar (Tenor)
Dosifei: Oberhaupt der Altgläubigen (Bass)
Marfa: eine junge Witwe (Mezzosopran )
Susanna: eine Altgläubige (Sopran)
Emma: ein junges Mädchen aus der deutschen Vorstadt (Sopran)
Weitere: Ein Schreiber - Tenorbuffo
Strelizen, Altgläubige, persische Sklavinnen, Garde des Zaren und Volk

Handlung

1. Akt:

Der Bojar Schaklowiti lässt von einem öffentlichen Schreiber die Botschaft verfassen, dass Iwan Chowanski eine Verschwörung gegen den Zaren plane. Beim Volk ist der Anführer der Strelizen sehr beliebt, weil er nicht mit den Bojaren paktiert. Wütend wirft der Mob das wackelige Bürohäuschen des Stadtschreibers einfach um.

Andrei Chowanski ist verliebt in Emma, ein Mädchen aus der deutschen Vorstadt. Da die Kleine sehr hübsch ist, wird sie unglücklicherweise auch von Iwan begehrt. In der Öffentlichkeit geraten Vater und Sohn aneinander. Marfa meint, das Mädchen vor der Aufdringlichkeit der Männer beschützen zu müssen - echt weiblich reagiert, obwohl sie protestantisch und Marfa eine Altgläubige ist und sich aus Fraktionszwang eigentlich spinnefeind verhalten müsste.

Eifersucht spielt auch hier eine Rolle, denn Marfa war die frühere Geliebte von Andrei. Dieser wehrt Emmas Festnahme durch die Strelizen ab, die der Vater nun auf die Deutsche ansetzt. Zum Glück tritt Dosifei auf und bringt es als Mann der Kirche mit diplomatischem Geschick fertig, den Frieden zu hüten. Er wendet sich an Marfa, damit sie sich um die aus allen Richtungen bedrängte Emma kümmert. Streit aus religiösen Gründen wäre bei der angespannten Lage fatal.

2. Akt:

Fürst Golitzyn übt drei wichtige Funktionen aus. Als wichtiges Mitglied der Regierung hat er gleichzeitig noch den Oberbefehl über die Armee inne. Außerdem fungiert es als Liebhaber der Zarewna Sofia und erhält einen Liebesbrief von ihr.

Golitzyn hat vorher ein konspiratives Treffen mit Iwan Chowanski und Dosifei, denn sie planen zusammen eine Verschwörung. Doch vorher ruft er noch Marfa zu sich, da diese die Gabe der Wahrsagerei besitzt. Berühmtheit erlangte sie auch dadurch, dass sie in die Zukunft schauen kann.

Zornig befiehlt Golitzyn, Marfa heimlich zu ermorden, denn öffentliches Aufsehen kann er nicht gebrauchen. Chowanski schreckt vor einem Streit mit Golitzyn keineswegs zurück und wirft ihm seine militärischen Misserfolge vor. Gegen den Angreifer werden in Revanche negative Beschlüsse erwirkt. Dosifei sieht, dass man zu keinem Resultat kommen wird, und mahnt, an die Zukunft des Reiches zu denken.

Wie gerufen erscheint Marfa und hat Neuigkeiten vom Hof zu berichten. Die Leute von Zar Peter haben sie vor dem Anschlag gerettet, welchen Golitzyns Männer gegen sie verüben wollten. Völlig unerwartet taucht auch Schaklowiti auf und meldet, dass von dem geplanten Komplott bereits etwas durchgesickert sei. Damit sind die letzten Hoffnungen der Verschwörer zerstört.

Zar Peter ordnet eine Untersuchung der Verschwörung an. Er spricht in der Sache von einer „Chowanschtschina“, sinngemäß bedeutet das „Chowanski-Schweinerei“.

3. Akt:

Einige Altgläubige greifen Marfa an, denn ihre Liebe zu Andrei beanstanden sie als Sünde. Aber Dosifei verteidigt sie gegen die Eiferer. Ihre Leidenschaft, die sie sehr quält, gesteht sie ihm. Am liebsten würde sie sich mit Andrei verbrennen, um endlich zur Ruhe zu kommen. Ruhig Blut, Marfa! So schnell gibt man nicht auf!

Schaklowiti hat eine Audienz bei der Zarewna Sofia erwirkt. Von der Idee, Russland vor dem Untergang zu retten, sei er ganz besessen. Alle Hoffnung setze er auf eine starke Alleinherrschaft, schmeichelt er ihr.

Was ist nur in die Strelizen gefahren? Betrunken haben sie sich, randalieren und wüten ohne Unterlass. Nicht einmal ihre eigenen Frauen können sie beruhigen. Der Zar ist es Leid. Er setzt seine Leibgarde in Marsch, damit die Disziplin wieder hergestellt wird, wenn ihr Anführer dazu nicht in der Lage ist. Die Petrowezen verschaffen sich Respekt.

Nun breitet sich in den Reihen der Strelizen Unruhe aus. Sie fühlen, dass sie zu weit gegangen sind. Iwan Chowanski hat Besorgnis um seine Position und befiehlt ihnen, nicht zu kämpfen und ihren Frauen daheim Gesellschaft zu leisten.

4. Akt:

Iwan Chowanski fühlt, dass Unheil in der Luft liegt. Eine letzte Warnung Marfas verschlimmert seinen Zustand noch. Auch die anmutigen persischen Sklavinnen, die ihm etwas vortanzen, können seine Stimmung nicht aufbessern.

BALLETT

Schaklowiti meldet seinen Besuch an und bringt unerwartet eine ehrenvolle Einladung von der Zarewna. Iwan ahnt nichts Gutes. Er behält recht. Dahinter versteckt sich für den Würdenträger die Botschaft des Todes. Golitzyn hat ihn noch warnen wollen, aber den Unglücksboten lässt Iwan durchprügeln. Schaklowiti lädt den Fürsten im Namen der Regentin ein, bei Hofe zu erscheinen. Ahnungslos zieht er sein Festgewand an, kommt aber nur bis zur Tür, wo Schaklowitis Häscher schon auf ihn warten, um ihn zu ermorden.

BILDWECHSEL

Die Ereignisse überstürzen sich: Golitzyn wird in die Verbannung geschickt und verabschiedet sich emotional vom Volk. Seiner Halbschwester hat Peter das Regieren ausgetrieben und sie in ein Kloster geschickt. Als Alleinherrscher hat Zar Peter die Herrschaft übernommen.

Marfa ist voller Aufregung und weiß Dosifei zu berichten, dass die Regierung die Vernichtung der Altgläubigen angeordnet hat.

Dosifei beschließt den kollektiven Suizid der Altgläubigen durch ein gottgefälliges Brandopfer. Marfa berichtet Andrei den Tod seines Vaters und dass er selbst von den Petrowezen gesucht würde. Andrei glaubt ihr nicht und beschuldigt sie, mit ihren Lügen sein Leben zerstören zu wollen.

Doch zum Auftakt, dass man mit der Hinrichtung der Strelizen begonnen habe, ertönen Glockenschläge. Nun hat Andrei die Bestätigung, dass Marfa nicht gelogen hat, und folgt ihren Schritten lammfromm.

5. Akt:

Der schaurige Abschluss des Dramas bleibt den Altgläubigen nicht erspart. Dosifei und die Raskolniko werden von den Petrowezen zusammengetrieben. Nun schichten die Gläubigen einen gewaltigen Scheiterhaufen auf. Das Ziel ist, sich selbst zu verbrennen, nicht zuletzt, um nicht in die Hände der Petrowezen zu fallen. Andrei Chowanski, inzwischen geistig verwirrt, ist auch unter ihnen und sucht verzweifelt nach Emma. Das Abfackeln einer verlassenen alten Einsiedelei in den Wäldern von Moskau garantiert dem Opernbesucher ein prächtiges Feuer.

Hintergrundinformation

Auch Russland blieb zu Ende des 17. Jahrhunderts von einer Glaubensspaltung nicht verschont. Die überlieferte Kirche begann damit, die Zeremonien zu verändern und dann wurden die Kirchenbücher umgeschrieben. Nicht alle Gläubigen waren mit der überhasteten Vorgehensweise einverstanden. Sie wurden abfällig als Raskolniko gekennzeichnet und verfolgt. Sie galten als Abspalter und bezeichneten sich selbst als Altgläubige.

Da es keinen volljährigen Thronfolger für den Zarenthron gab, wurde in Vormundschaft für Peter zunächst seine Schwester Sofia als Regentin eingesetzt. Ihre Macht stützte sie auf die Strelizen. Deren Anführer war Iwan Chowanski. Sofia strebte die Alleinherrschaft an und übte sich darin, die Palastgarde gegen Peter, den zukünftigen Zaren, aufzuhetzen. Dieser ließ sich das nicht gefallen und in einem Kräftemessen wurde nach der Historie der größte Teil der Strelizen in einer einzigen Nacht hingerichtet.


Letzte Änderung am 21.12.2014
Beitrag von Engelbert Hellen