Giacomo Puccini (1858-1924):

Turandot

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1920-24
Uraufführung: 25. April 1926 in Mailand (Teatro alla Scala) in der unvollendeten Version
27. April 1926 in Mailand (Teatro alla Scala) in der durch Franco Alfano ergänzten Version
Besetzung: Soli, Chor (SSSTTBB), Kinderchor und Orchester
Erstdruck: Mailand: Ricordi, 1926
Verlag: Mailand: Ricordi, 1978
Opus: SC 91

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[Details]
Turandot (Naxos, ADD/m, 1957)
Giacomo Puccini (1858-1924)

FonoForum 01/10: "Um nur einen der vielen magischenMomente zu nennen: In ihrer großen Arie "In questareggia" illuminiert Maria Callas mit einer einzigen Silbeihren gesamten Bühnencharakter, wenn sie den Namen ihrerAhnfrau Lou-Ling mit all dem Grauen auflädt, das dieserwiderfahren ist und dessentwegen sie sich selbst mitemotionalem Eis umgürtet. Einen solchen Erkenntnisblitzlöst die mit einer Trompete in der Kehle gesegnete BirgitNilsson in der gesamten Oper kein einziges Mal aus."

Zur Oper

Art: Dramma lirico in drei Akten und fünf Bildern
Libretto: Giuseppe Adami und Renato Simoni nach 'Turandotte' von Carlo Gozzi und der persischen Märchensammlung 'Tausendundein Tage'
Sprache: italienisch
Ort: Peking
Zeit: Märchenzeit

Personen der Handlung

Turandot: chinesische Prinzessin (Sopran)
Altoum: Kaiser von China (Tenor)
Timur: entthronter König der Tartaren (Bass)
Kalaf: sein Sohn, der unbekannte Prinz (Tenor)
Liu: eine Sklavin (Sopran)
Ping: Kanzler (Bariton)
Pang: Marschall (Tenor)
Pong: Küchenmeister (Tenor)
Weitere: ein Mandarin (Bariton), der junge Prinz von Persien, Scharfrichter

Handlung

1. Akt:

Der Mann, den die chinesische Prinzessin Turandot zu ihrem Gemahl erwählen wird, sollte zumindest zwei Vorzüge besitzen: königliches Blut in den Adern und Gehirnschmalz im Kopf. Letzteres benötigt er zum Rätselraten. Beileibe keine Kreuzworträtsel, sondern die kaiserliche Quizmasterin hat sich drei Fragen ausgedacht, die richtig beantwortet sein wollen. Rät er daneben, wird der Kandidat das stolze Haupt dem Beile bietet müssen. Der Henker wird den Kopf mit gezieltem Schlag vom Rumpf trennen und auf eine Stange stecken. Viele Stangen stehen schon im Halbkreis auf dem Platz des himmlischen Friedens herum, und auf jede Stange ist ein Hohlkopf aufgesteckt.

Der Mandarin erklärt zu jeder Vorstellung laut und deutlich die Spielregeln. Dem Prinzen von Persien ist das Glück nicht hold. Noch so jung ist er, und so schön! Die Frauen haben Mitleid mit ihm. Es ändert nichts an den Konditionen. Kalt wie das Schwert ist das Herz der schönen Turandot. Von der Hand des Henkers muss der Prinz sein Leben lassen. Doch der zum Tode Verurteilte hat das letzte Wort. Es lautet „Turandot“. Laut und deutlich, doch ein bisschen gequält kommt der schöne Name von seinen bleichen Lippen. Die Szenerie wird vom aufgehenden Mond stimmungsvoll beleuchtet. Mond heißt übrigens im opern-chinesisch: Pu-tin-pao. Die Menge applaudiert, genießt das gebotene Schauspiel und ergibt sich dem Blutrausch.

Der Schleifstein hat sich gedreht und die Klinge wurde gewetzt, damit Feuer und Blut spritzen mögen. Der nächste Anwärter hat sich bereits gemeldet, fühlt sich intelligent und siegessicher, die Hand und das Herz der kaltschnäuzigen Prinzessin zu erobern. Wenn der Gong ertönt, frohlockt der Henker. Die Rätsel sind drei, der Tod ist einer, wissen die Minister Ping, Pang und Pong ihre Weisheit unter das Volk zu streuen.

Es ist Kalaf, der unbekannte Prinz, welcher die grausame Prinzessin zähmen möchte, obwohl er ihr zuvor noch geflucht hat. Wie schnell ungewöhnliche Schönheit einen Sinneswandel vollziehen kann, setzt alle in Erstaunen! Seinen alten Vater, ein gestürzter Tartarenkönig mit seiner Sklavin Liu auf der Durchreise, trifft er durch Zufall wieder. Der halbblinde Alte ist hingefallen, und der Hilfsbereite bringt ihn wieder auf die Beine. Die Wiedersehensfreude ist groß, aber die Schlacht ging verloren und das Reich ebenso. Kalaf hebt seine Rache am politischen Gegner für später auf.

Gegen Dummheit kämpfen selbst drei Minister vergebens, von denen niemand weiß, ob sie ihrem Ressort überhaupt pflichtbewusst nachkommen. „Hier wird erwürgt, gebohrt und der Hals abgeschnitten, gesägt und der Bauch aufgeschlitzt.“ So formulieren Ping, Pang und Pong die Gepflogenheiten der chinesischen Justiz. Der Unbekannte soll fortgehen und in sein Land zurückgehen. „Nein, um ihrer Schönheit willen, wird er siegen.“ Papa hat sowieso nichts mehr zu melden. Jetzt ist Liu an der Reihe, einen Umstimmungsversuch zu unternehmen. Ihren großen Auftritt „Signore ascolta“ beantwortet er effektvoll mit „Non piangere, Liu“. Das Mädchen nässt ihr Taschentuch; das inständige Flehen des Vaters ist umsonst. Kalaf schlägt dreimal den Gong, um anzukündigen, dass er zur Ratestunde pünktlich erscheinen wird. Die Minister resignieren. Es ist unnütz zu mahnen, ob in Sanskrit in chinesisch oder mongolisch. Hopfen und Malz sind verloren. Wenn der Gong ertönt, frohlockt der Tod.

2. Akt:

„Hallo Pang! Hallo Pong! Da seid ihr ja“, begrüßt Ping seine Amtskollegen. Sie stellen Betrachtungen über den Lauf der Welt an und träumen von ihrem Ruhestand. Ping hat ein Häuschen in Honan mit einem blauen Teich, ganz umgeben von Bambus. Pong besitzt Wälder bei Tsiang. Nirgendwo gibt es schönere, doch kann er ihren Schatten zur Zeit nicht genießen. Pang hat einen Garten, der nun völlig verunkrautet. Er verließ ihn, um in Peking Karriere als Minister zu machen.

Woher kommen die verliebten Prinzen, deren Köpfe auf der Stange stecken, überall her? Welche Nationalität haben sie? Der eine kommt aus Samarkand, der andere aus Kirgisien und noch ein anderer ist aus Birma angereist. Der juwelengeschmückte Inder besaß besonders schöne Ohrgehänge. Sein Kopf steckt auf der Stange und die Ringe hängen noch am Läppchen. Alle wurden hingemordet wegen der Launen einer Frau. Die Minister hoffen, dass ein Freier die Rätsel endlich löst, damit das Kopfabschlagen ein Ende findet. Die drei besprechen ihre Aufgaben, sobald die Rätsel von befugter Seite gelöst sind: Ping will das Bett bereiten, Pong will Turandot die Daunen schütteln und Pang möchte den Alkoven mit Düften füllen. Anschließend singen alle drei im Garten ein Terzett über die Liebe bis zum Morgen. Heil dem entblößten Leibe, der das Geheimnis nun kennt. Heil der Trunkenheit der Liebe, die nun endlich gesiegt hat.

Die Szene wechselt. Volk hat sich vor der großen Freitreppe des kaiserlichen Palastes versammelt, um die Proklamation des uralten Kaisers zu vernehmen. Das Volk kennt sie zur Genüge – schon hundertmal gehört – das Opernpublikum eigentlich auch. Also, der Kaiser klagt, dass er einst eine grässliche Dummheit begangen und einen Schwur geleistet habe, der ihn nun zwingt, einem düsteren Pakt die Treue zu halten. Das heilige Zepter trieft von Blut und der Jüngling soll verschwinden, damit der Spuk aufhört. Kalaf ist unbelehrbar und entgegnet dem Sohn des Himmels, dass er sich im Rätselraten auskenne und die Probe bestehen wird. Schon wieder füllt der Palast sich mit Schrecken. Des todestrunkenen Fremdlings Schicksal möge sich vollenden. Zehntausend Jahre soll leben unser Kaiser!

Turandot bekommt von Puccini endlich das Wort erteilt, nachdem die halbe Oper bereits gelaufen ist. Zu Füßen des Thrones, prächtig gekleidet mit witzigem Kopfputz stellt sie sich zu Füßen des kaiserlichen Thrones auf und räuspert sich: „In questa reggia“ vor tausend und abertausend Jahren
erschallte verzweiflungsvoll ein durchdringender Schrei. Und dieser Schrei durch Geschlechter und Geschlechter nistete sich ein in Turandots Seele. Prinzessin Lou-Ling, der holden und erhabenen Ahnfrau, wurde Gewalt angetan und ihre frische Stimme verstummte. Von einem Mann wie Kalaf wurde sie verschleppt. Bis in diese Zeit blieb die Tat ungesühnt. Alle Männer von Geblüt will Prinzessin Turandot nun bestrafen, nur wenn einer gut raten kann, bleibt er von der zu erbringenden Sühneleistung verschont. Danach wird die rollende Lawine von abgehackten Köpfen gestoppt. Dem fremden Prinzen steht nun die harte Probe bevor. Das Süppchen, welches er sich mit dem Anschlagen des Gongs eingebrockt hat, wird jetzt ausgelöffelt.

Doch der unbekannte Prinz hat sich ein bisschen schlau gemacht und einen ganzen Vormittag in der kaiserlichen Staatsbibliothek verbracht, um sich in der Kunst des Rätselratens zu vervollkommnen. Alle Anwesenden bangen zu Gunsten des schönen kraftvollen Jünglings. Jedoch locker vom Hocker verkündet der Supergescheite die Lösungen aller Rätsel. Sie lauten: Die Hoffnung - das Blut – und das Eis, welches das Feuer gibt, heißt „Turandot“. Nein, soviel Intelligenz hätte dem Prinzen niemand zugetraut, weil er so schlau gar nicht ausschaut. Die drei Gelehrten schauen in ihre Papyrusrolle, es stimmt tatsächlich, der Prinz hat richtig geraten.

Turandot soll die Liebe nun willkommen heißen, doch die Spielverderberin kneift. Der Sohn des Himmels, der erhabene Vater, soll nicht die Tochter in die Arme eines Wüstlings werfen. Doch der Kaiser verliert die Geduld mit seiner hochnäsigen Tochter und lässt sich nicht länger verschaukeln: Der Schwur ist heilig und an der Lösung gibt es nichts zu kritisieren. Das Volk stimmt überein.

Nun fängt das Rätselgenie an, sich auf einen Kuhhandel einzulassen. Er will die Maid nicht gezwungenermaßen, sondern glühend vor Liebe in Besitz nehmen. Die Widerstrebende erhält eine Chance. Selbst muss sie nun ein Rätsel lösen, dann ist sie von der Pflicht entbunden. Das Rätsel besteht darin, dass sie erraten soll, wie der Großzügige sich nennt, oder bei welchem Namen die Mutter ihn gerufen hat, wenn das Mittagessen auf dem Tisch stand. Erst nachdem sie richtig geraten hat, ist die Prinzessin ihm an Intelligenz ebenbürtig. Noch vor dem Morgengrauen soll sie seinen Namen nennen. Wenn die Kontrolle an der Grenze nicht so schlampig gearbeitet hätte, wäre es eine Kleinigkeit, den Namen herauszufinden. Bei lebendigem Leibe sollte man schlampigen Beamten die Haut in kleine Streifen schneiden und abziehen.

3. Akt:

So gibt Turandot ein Edikt heraus, dass in der kommenden Nacht bei Todesstrafe keiner schlafen, sondern sich bemühen soll, den Reisepass des Unbekannten zu finden oder den Namen sonst irgendwie in Erfahrung zu bringen. „Nessun dorma“, trägt Kalaf nun seine zweite große Arie dem Opernpublikum vor und regt ebenfalls an, dass keiner schlafen soll. Das Geheimnis seines Namens kennt niemand und nur in Verbindung mit einem Kuss auf ihre Lippen wird er ihn Turandot selbst ins Ohr flüstern. Zurzeit liegt die Prinzessin in ihrer kalten Kammer und betrachtet die Sterne, die vor Liebe und Hoffnung flimmern.

Die Minister sind auf die Idee gekommen, dass die Sklavin Liu und der Alte den Namen eigentlich kennen müssten. Es gibt Eisen, um die Zähne zu brechen und Haken, um ihnen die Namen aus der Nase zu ziehen. Die Einrichtung der Folterkammer wird beschrieben: Spitze Eisen und das Zackenrad. Der heiße Biss der Zangen verursacht Folter bis zum Tod. Die beiden Gesuchten werden herangeschleppt und Liu erklärt, dass sie ganz allein den Namen kenne, aber auf keinen Fall reden werde. Um irgendwelchen Prozeduren aus dem Weg zu gehen, entreißt sie blitzschnell einem der Schergen den Dolch und gibt sich selbst den Tod. Vorher singt sie aber noch die wunderschöne Arie „Si principessa ascoltami“ und erklärt der interessiert Zuhörenden, dass sie zwar von Eis umgürtet sei, welches aber von der starken Flamme des Prinzen zum Schmelzen gebracht werde. Die kleine muss es wissen, sie kennt Kalaf noch von früher aus der Tartarenjurte.

Timur kann nicht begreifen, was passiert ist - er denkt er befindet sich in einem „Lyrischen Drama“, so wie Puccini sein Werk betitelt hat - kniet vor der toten Sklavin nieder und bettelt: „Öffne die Augen mein Täubchen“. Die Tote genießt den Respekt der Menge, die sich nach einigen Schweigeminuten zerstreut. Der Leichnam wird fortgetragen.

Kalaf und Turandot bleiben auf dem Platz des grässlichen Geschehens allein zurück, damit sie das grandiose Schlussduett anstimmen können. Kalaf beginnt mit „Principessa di morte, principessa di gelo...“ und reißt der Heißbegehrten im Liebestaumel den Schleier vom Gesicht. Gefackelt wurde lange genug, nun will er seine bebenden Lippen auf ihren Mund pressen. Den lilienweißen Busen fühlt er erbeben. Noch sträubt Turandot sich und fleht, die Tochter des Himmels nicht zu entweihen. Ihr Widerstand wird schwächer und Kalaf fühlt sie in süße Ohnmacht sinken. Sein Leben liegt in ihrem Kuss. Nun kommt Turandot endlich dahinter, dass sie im Leben etwas versäumt hat. Ganz plötzlich überkommt es sie und sie kennt infolge einer inneren Eingebung den Namen des unbekannten Prinzen. Sie nennt ihn laut und deutlich, dass der Kaiser und alle anderen ihn hören können. Sein Name ist „Amor“.

Liebe, Sonne, Ewigkeit! Liebe ist das Licht der Welt. Die Menge hat es erfasst.

Beschreibung

Seine letzte Oper konnte Puccini selbst nicht mehr vollenden. Sein ehemaliger Schüler, Franco Alfano, inzwischen selbst ein angesehener Komponist, war in der Lage, aus den vorhandenen Skizzen den Schluss zu orchestrieren und erledigte die Aufgabe mit großer Meisterschaft. Die Uraufführung leitete Arturo Toscanini und legte den Taktstock an der Stelle nieder, an welcher Puccinis Komposition endet.

Verschwenderisch hat der Maestro aus Lucca seine Melodien ausgebreitet über ein Libretto, welches aus der orientalischen Märchenwelt schöpft, aber gleichzeitig auch Figuren der „Commedia del arte“ entleiht.

Die Turandot gilt als die letzte große Primadonnenoper, die sich bis heute in unübersehbarer Regelmäßigkeit auf den Bühnen der Welt gehalten hat.

Über die Ursachen, weshalb männermordende Turandot extrem feindlich auf das andere Geschlecht agiert, haben Tiefenpsychologen nachgesonnen und moderne Regisseure und Ausstatter greifen die Resultate auf und verwandeln geheime Regungen der Seele in grelle Bühnenprospekte.


Letzte Änderung am 17.10.2007
Beitrag von Engelbert Hellen