Tauno Pylkkänen (1918-1980):

Mare ja hänen poikansa

deutsch Mare und ihr Sohn / englisch Mare and her Son

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1943
Uraufführung: 1945 in der Finnischen Oper
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 140 Minuten
Bemerkung: In der Sankt-Georgs-Nacht im Jahre 1343 hatte sich die Begebenheit tatsächlich so zugetragen, wie Aino Kallas sie in ihrem Drama dichterisch verewigt hat. Die Widerständler hatten sich in Getreidesäcken versteckt, um auf die Burg zu gelangen, doch durch den Verrat einer alten Frau konnten die Deutschritter den Bauernaufstand im Keim ersticken.

Die berühmte estnische Dichterin Aino Kallas (1878-1956) hat auch für ihren Landsmann Eduard Tubin die Opernlibretti fertiggestellt. Als Tochter eines finnischen Literaturwisssenschaftlers geboren und in einem deutschsprachigen Elternhaus aufgewachsen, heiratete sie den estnischen Diplomaten Oskar Kallas und zog später mit ihm nach London, einer Stadt, die ihr für ihre dichterischen Arbeiten ein angenehmes Ambiente bot. In ihrem Epos „Mare ja hänen poikansa“ verwendet sie eine archaische Sprache, die dem inhaltlichen Schwergewicht des Stückes gerecht wird. Von Tauno Pylkkänen meisterhaft vertont, gilt die Oper „Mare ja hänen poikansa“ als sein Meisterwerk. Die Burg Viljandi wurde mehrfach geschleift, so dass in heutiger Zeit nicht mehr viel von ihrem Mauerwerk übrigblieb.

Die Stadt, der deutsche Name war Fellin, konnte sich jedoch zur sechstgrößten Stadt Estlands mausern und wurde die Partnerstadt von Ahrensburg in Schleswig-Holstein. In der Operngeschichte kann man den Stellen- und Persönlichkeitswert der Mare Valdeko vielleicht mit der Küsterin aus Janáčeks „Jenůfa“ vergleichen.
Opus: op. 22

Zur Oper

Art: Oper in drei Akten
Libretto: Aino Kallas
Sprache: finnisch
Ort: Livland
Zeit: 1343

Personen der Handlung

Mare: eine Witwe
Imant: ihr jüngster Sohn
Goswin von Herike: Großmeister des Ritterordens
Mango: ein alter Jäger

Handlung

1. Akt:

Mares geräumige Immobilie befindet sich nicht weit entfernt von der alten Festung Viljandi. Die Witwe Valdekos sitzt am Tisch und näht an einem Leinensack, der zum Transport von größeren Mengen landwirtschaftlicher Produkte gedacht ist.

Neben Pfeil und Bogen für die Jagd schmücken Bären- und Wolfsfelle die Wände im Inneren der pittoresken Behausung. Mare selbst ist eine rüstige Frau von etwa sechzig Jahren, deren Gesichtszüge noch von vergangener Schönheit durchflutet sind. Ihr Gang ist aufrecht, während ihr Gast, der Jäger Mango, schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat. Er liebt es, bei ihr gut zu essen und einen Krug Bier zu trinken. Man erinnert sich der alten Zeiten, als die Familie noch vollständig beisammen war. Von den sieben Söhnen, die Mare einst hatte, ist ihr nur der Jüngste geblieben. Im Kampf gegen die Burg sind die anderen gefallen, auch ihren Mann ereilte dieses Schicksal.

Zwischen dem Burgherrn und der bäuerlichen Bevölkerung herrscht ein Abkommen, dass ein festgelegter Teil der Feldfrüchte abzuliefern ist. Als Gegenleistung bekommen die Bauern von den Rittern Schutz, wenn ihnen Räuber die Ernte verbrennen oder wegnehmen wollen. Über die Höhe der Abgaben, die am Sankt-Thomas-Tag fällig sind, ist man sich uneins. Es gilt das Recht des Stärkeren.

Die Burg liege auf ihnen wie ein Felsen und ersticke den Atem in der Brust, behauptet Mango. Am Tag vor Sankt Thomas ist in der Regel die Drangsal am größten. Die Ritter, die sich der Frömmigkeit und Gottesfurcht verpflichtet fühlen, beherbergen oft fremde Gäste. Den Bauern bleiben kaum genügend Obst und Feldfrüchte für den Eigenbedarf.

Die Sonne steht schon hoch am Himmel, aber Imant ist noch nicht in Sicht. Er war auf die Jagd gegangen und Mare hofft, dass ihm nichts passiert ist. In der Nacht quälte sie ein furchtbarer Traum, in der eine Stimme in tödlicher Furcht nach der Mutter schrie. Sie will sich aber nicht festlegen, ob es Imants Stimme oder die eines seiner Brüder gewesen sein könnte. Die Winde des Herrn haben sie furchtbar geschüttelt. Mango beruhigt sie, Gott habe ihr immerhin erlaubt, gesund aufzustehen. Gott stehe nicht auf ihrer Seite, von ihm erwarte sie keine Hilfe, meistens seien es die anderen, die Hilfe von ihr benötigten. Mare soll nicht so gotteslästerlich daher reden!

Hat sie nicht schon genug Unglück in ihrem Leben erlitten? In Mangos Augen sucht Mare nach Bestätigung! Zuerst starb ihr Mann und sechs Söhne folgten ihm nach. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, wenn sie darüber nachdenkt. Wo sind Atso, Valdeko, Ülo, Meeme, Hüvameel und Viitso? Wo ist der alte Valdeko selbst? Sechs junge Söhne hat sie verloren; sie ruhen in ihren Gräbern. Die Burg nahm sie alle, einen nach dem anderen, bis nur noch einer übrig blieb. Kann Mango sich ihr Leid überhaupt vorstellen?

Mare soll sich doch bitte beruhigen, immerhin hat sie noch ihren Sohn Imant - einen Mann, so fein wie eine Roggenähre! Erinnert sich die Mutter nicht, wie bei seiner Geburt ein Feuerball quer über den Himmel rollte? Unter gewaltigem Druck hatte die Sonne ihn abgeschossen. Ja, es stimmt, dass ein großer Stern in dem Moment erglühte, als ihr Kind geboren wurde. Ein ungewöhnliches Zeichen, welches ihr Angst einflößt. In ihrem Herzen hält sie ihr Kind verschlossen und wenn es sterben würde, fühlte sie sich so nackt wie eine Talgkerze. Geschluckt von den Wogen des Meeres hat das Gespür, dass ihr Kind das Letzte ist, was man ihr nehmen wird. Mare soll ihren Sohn mit ihrer Furcht nicht anstecken. Es liegt in der Mentalität des nordischen Mannes, dass er entweder jagen oder kämpfen muss. Mit seinen 19 Lenzen ist Imant vorerst noch ein Junge, berichtigt Mare, aber er wird sich nicht verstecken können, der Tod findet ihn überall. Von einem glühenden Ofen würde sie mit bloßen Händen einen Feuerbrand reißen, wenn sie ihn damit vor dem Untergang retten könnte.

Hunde sind von draußen zu hören. Imant ist von der Jagd zurück. Die Verängstigte atmet erleichtert auf.

Imant hat Beute gemacht, ein Luchsfell hängt quer über seiner Schulter. Ein Kopfnicken für die Mutter und einen kurzen Gruß für den Gast. „Heil Mango!“ „Heil auch zu Dir.“ Mango lobt den Beutejäger: Einen Luchs hat er gejagt, wie er selbst einer ist! Mit seinem Bogen hat er ihn vom Baum geholt, erklärt der Schütze. Seine Jagdausstattung hängt er zurück an die Wand und das Fell breitet er wohlgefällig in der Mitte des Zimmers aus; die Skier werden an ihren Platz gestellt. Dann nimmt Imant schweigend zwei kurze Schwerter von der Wand und hält sie abwägend in der Hand. An seines Vaters Speer klebt noch altes Blut. War der Speer durstig? Mare beobachtet ihn mit anwachsender Beunruhigung. Draußen fängt es heftig an zu schneien. In der Höhe mahlt der Tod und sendet Schneeflocken als Späne hernieder. Was ist mit dem Tod - der Moment ist reif für das Leben. Was hat ihr lieber Sohn da soeben gesagt?

Einen strapazierfähigen Sack händigt ihm die Mutter aus, damit er ihn mit Getreide fülle, als Abgabe für die Burg. Imant erklärt, dass der große Sack für eine andere Sache benötigt werde als für Korn. Ihr Letztgeborener wird heute große Ehre erlangen, noch bevor die Nacht hernieder sinkt, denn die Burg Viljandi wird fallen! Von wem hat er das gehört? Mares Neugierde ist erwacht.

Einhundert Pferdeschlitten werden aufbrechen, um Säcke samt Inhalt zur Burg zu transportieren. Und auf jedem Schlitten sind zwei Säcke und ein Fahrer platziert. Schon in der Nacht wird das blutige Korn aufgehen und üppige Früchte bringen. Aus dem Korn wachsen feurige Ohren und das in der Mitte des Winters am Sankt-Thomas-Tag. In jedem Sack ist ein bewaffneter Man versteckt. Dreihundert Männer, die Blüte und Krone von Sakala. Welch eine heiße Schlacht wird dann sein? Aus jedem Sack steigt ein Mann mit einem Schwert in der Hand und Tod umarmt seine Gegner in einem wahnsinnigen Kampf. Die Burgwächter wissen von nichts. Besuch aus Tallin wird erwartet. Der Lord-Kastellan und der Erzbischof Eberhard sind unter den Anwesenden die vornehmsten Gäste. Es wird tüchtig gefeiert. Die Festung wird im Überraschungsangriff genommen.

„Hat mein Sohne Imant etwa versprochen, mit ihnen zu gehen?“ fragt die besorgte Mutter. „Hatten sie Erfolg, ihn zu überzeugen? Beabsichtigt er sich der Gruppe anzuschließen und mit den Schlitten ins dunkle Verhängnis zu rasen?“ Die Mutter soll sich beruhigen und frohlocken. Sein Platz sei als zukünftiger Soldat und Held des Vaterlandes auf dem ersten Schlitten. Nun will die Mutter alles ganz genau wissen. Wer ordnete an, dass er in den ersten Schlitten steigen muss. Niemand, es war sein eigener Wunsch, denn wo die Gefahr am heißesten wütet, ist auch die Ehre am höchsten.

Das verspricht alles nichts Gutes! Der liebe Imant soll seiner alten Mutter eine Freude machen und den Treck nicht anführen am Sankt-Thomas-Tag, denn dieser ist der Tag des Todes! Nichts anderes als eine verrückte Idee verbreite die Mutter mit ihrer Warnung. Nun bringt Mare ihre Autorität als Mutter zum Einsatz und bestimmt: „Selbst wenn die anderen gehen, du gehst nicht mit ihnen!“ Was ist über sie gekommen? Die Mutter spricht doch sonst nicht in diesem Ton mit ihrem Jüngsten! Wozu diese Zweifel? Hat sie Mutter nicht selbst zu ihm einst gesagt: Er solle auf den Ruf des Widerstandes gegen die Eindringlinge achten, und wenn er ihn hört, solle er ihm folgen. Nun ist die Zeit gekommen und an ihm sei es, sich als Mann zu erproben.

In Mare erwacht eine Wahnsinnsangst und ihre ganze Überredungskunst bringt sie zum Einsatz: Sein Plan habe seinen Ursprung in den Wolken! Mit dem Kopf sei er gegen die Wand gerannt. Die Teilnahme an dem unsinnigen Auftrieb sei eine Frage von Leben und Tod. Sie sei schon zu alt und Witwe, die Rippen werden sich bald krümmen. Wenn er sterben würde, kann sie keinen anderen Sohn mehr gebären. Wenn sie ihn doch nur überreden könnte, der Sache fernzubleiben. Kein einziger wird lebend zurückkehren! Er soll nicht gemeinsame Sache mit den Leichtsinnigen machen, denn der Tod sei ihnen sicher.

Und das soll der Rat einer Mutter sein? Möchte sie, dass die Leute fragen, wo eigentlich Imant sei? Wo ist er, der kräftige junge Mann aus Sakala, der Sohn des Valdeko? Versteckt er sich hinter dem Heizofen seiner Mutter? Ist es das, was die Mutter wünscht, dass ihr Sohn öffentlich als Feigling bezeichnet wird?

Der Bauer in ihm ist aufgewacht! Auf die Gnade der Burgherren waren sie angewiesen. Doch was vom Kastell Viljandi bleiben wird, ist Feuer und Blut - kein Stein bleibt auf dem anderen! Den Sohn des tapferen Valdeko erwarte große Ehre. Der Platz im ersten Schlitten ist eines Helden und Soldaten würdig! Wo ist die Gefahr am heißesten und wo die Ehre am größten? Nun, es ist der erste Schlitten, in dem er sich befinden wird und es ist seine Sache, nun als Mann zu agieren.

Mares Verzweiflung gleicht einem Aufschrei: „Höre mich Imant, gehe nicht mit ihnen!“ Es sei das Tal des Todes, von dem er nicht zurückkehren werde. Doch Imant weiß genau, was er will. Die Mutter redet vergeblich. Mare wiederholt eindringlich ihren Rat. Sie solle bitte still sein.

Die Fronten sind immer noch nicht geklärt. Mare fällt ihm zu Füßen. Was nützt ihr die Freiheit ihres Volkes. Ihr sei es egal, ob die Mauern von Viljandi in Stücke brechen. Wenn er verloren ist, sei alles verloren!

Zu was hat die Mutter ihn geboren? Sie soll sich an den goldenen Ball erinnern, der einst am Himmel rollte und den Weg zu ihrem Herzen fand, und die Kugel wieder einfangen. Es ist jetzt Zeit zu gehen. Will die Mutter ihm nicht Lebewohl sagen? Will sie ihren Sohn nicht dem Schutz des Allerhöchsten empfehlen?
Wenn nicht, dann soll es so sein. „Gott sei mit dir Mutter!“ sind seine letzten Worte.

Mare sinkt zu Boden und versucht, ihre Gedanken zu sammeln.

„Imant, Imant!
Er ist gegangen und versinkt in die Tiefe des Sumpfes.
O lieber, heiliger Jesus
Hilf mir. O Herr! Warum verfolgst du mich?
Nimm mich und verlasse mich nicht.
Aber lasse mich nicht zu hart aufprallen!
Nimm mir nicht den Letzten.
Bei allen Winden, die in der Welt blasen, er darf nicht fallen!
Mögen alle anderen verderben vor ihm.
Ich habe ihn geboren
und ich werde die Pein des Todes in seinem Namen tragen.
Von mir kam er -
er gehört mir!“

Mare zieht ihren Mantel an und verlässt das Haus.

2. Akt:

Die Sicherheit der eingeladenen Gäste und der lieben Waffenbrüder wird garantiert, betont Goswin von Herike, der die Festung befehligt, in einer kurzen Ansprache. Es droht keine Gefahr von außerhalb, etwa von den Dorfbewohnern oder den übrigen Einwohnern Livlands und man solle unbefangen den schönen Abend genießen. Der Opernchor beobachtet, dass der feinste aller Liköre allen herrlich schmeckt: Von ihm nippen die holde Herrin der Burg und der Kastellan, die Soldaten und die Priester. Ihn trinken Ortsansässige und Fremde - Männer und Frauen laben sich am köstlichen Nass und lassen die Flüssigkeit durch die Kehle rinnen. Auch Erzbischof Eberhard gönnt sich ein Schlückchen. Ein Unterhaltungsprogramm wird im Laufe des Abends für angenehme Zerstreuung sorgen.

Die Sonne eilt dem Morgen entgegen, behauptet ein fahrender Sänger, auf den Knien sitzt sein Schätzchen und er drückt ihr einen Kuss auf die Stirn. Im Moment ist sie leider nicht zugegen. Bei wem mag sie wohl sein?

SCHWERTERTANZ

Der Chor wiederholt das fröhliche Trinklied. Ein Burgwächter tritt unverhofft in die Festhalle und meldet den Besuch einer betagten Dorfbewohnerin. Wer sie hereingelassen hat, will der Burgvogt wissen. Die Person behaupte, eine ganz besonders wichtige Nachricht zu haben. Die Männer sollen sie bitte nicht behindern, denn sie sei gekommen, um zu warnen. Die Gäste sind gebeten, einen Moment die Luft anzuhalten, damit Goswin versteht, was die Alte zu vermelden hat. Von wem wird sie geschickt und woher kommt sie?

Das sei ihre und Gottes Angelegenheit. Sieht der gnädige Herr nicht, wie eine rote Wolke sich über Burg Viljandi ausbreitet? Die dicken Mauern der Burg werden zerbröckeln wie Streuselkuchen! Die alte Hexe sei die Witwe Valdekos, sie sei fremd hier und komme aus der Gegend von Saaremaa, erhält der Burgvogt Auskunft. In diesem Moment pfeift der Wind durch die Halle und die Kerzen an den Wänden beginnen zu flackern.

Es sei eine Frechheit zu behaupten, sie sei eine Hexe. Ist es so schwer zu begreifen, dass Burg Viljandi in Gefahr ist und sie gekommen sei, alle zu warnen? Woher weiß sie von einer drohenden Gefahr? - Die Bäume im Wald haben es ihr erzählt! Sie soll ihre Worte sorgfältig abwägen. Andernfalls wird sich eine Leine um ihren Hals legen, warnt Goswin. Mare wird sachlich: Die Bauern seien aufgestanden und beabsichtigten, die Burg zu überfallen. Und nichts wird übrig bleiben als Feuer und Blut!

„Maarahvas on noussut?... - Die Bauern sind aufgestanden! Habt ihr alle gehört, was die Frau sagt?“

Weshalb kam sie her? Die Wahrheit soll sie sagen! Kam sie allein? Kennt sie einen, von denen sie spricht? Niemand kennt sie - außer Gott im Himmel und sie selbst. Goswin von Herike spitzt nun doch die Ohren und macht ein Angebot. Was will sie für ihre Information haben? Wie hoch ist der Preis? Welche Belohnung erwartet sie? Sein Gold kann er in den Sumpf fallen lassen, reagiert Mare herablassend.

Also, weshalb kommt sie? Handelt es sich um einen Racheakt? Sie solle nicht zögern und sagen, was sie weiß!

Zuerst wünscht Mare vom gnädigen Herrn ihren Sohn.

„Deinen Sohn?“ Was hat er mit ihrem Sohn zu schaffen? Will sie sagen, dass ihr Sohn im Komplott mit den Rebellen steht? Ja oder nein! - Wenn es sich nicht so verhielte, würde sie dann hier sein? Die Festung hat ihr sechs Söhne genommen und Imant wäre der siebente. Er befindet sich auf dem ersten Schlitten. Sie betont, dass ihr Sohn sich in dem Sack auf dem ersten Schlitten befinde.

„Was für ein Schlitten - Reesä? Missä reessä?“ Goswin macht eine erstaunte Miene.

Sie meint die Schlitten der Verdammnis. Sie wird ihm alles erzählen, aber zuerst muss er ihr die Zusage geben, dass seinen Gliedmaßen kein Leid geschehen wird. Als Kastellan dieser Festung gibt ihr sein Ehrenwort, dass sie ihren Sohn unversehrt ausgehändigt bekommt.

„Minä saan hänet? Elävältä? - Sie darf ihn haben, lebend?“ So hat Goswin von Herike es gesagt!

Mare plaudert, die Bauern werden heute nicht - wie am Sankt-Thomas-Tag üblich - Güter bringen, sondern in jedem der hundert Schlitten befinden sich plus Schlittenlenker zwei bewaffnete Männer. Insgesamt kommen so dreihundert Mann zusammen. Sie konferieren jetzt im Wald miteinander und beabsichtigen heute Nacht, die Burg Viljandi im Sturm zu nehmen. Sie werden alle Wächter niedermachen bis auf den letzten Mann.

Wer plante das Vorhaben? Die Leute von Sakala! Hat die gute Frau eigentlich begriffen, dass sie nach Verlassen der Burg von ihrem eigenen Volk ausgestoßen sein wird? Das sei ihr egal, bei Tod und Teufel, sie schützt nur ihren Sohn und er weiß es.

In der Tat weiß Goswin von Herike nun genug. „Ritter vom Schwert“ beginnt er seine Ansprache an die Anwesenden: Die Burg Viljandi und die Sache Livlands seien in Gefahr. Die Bauern hätten sich erhoben. Sind wir nicht Soldaten in Christus und Kreuzfahrer? Der Chor bestätigt es. Sind diese Verräter nicht Feinde der Kirche und des Glaubens? Der Chor stimmt zu. „Lasst uns ohne Aufschub im Namen Christi und der heiligen Jungfrau den Aufstand niederschlagen. Läutet die Alarmglocken und nun zu den Waffen!“


Mare wartet. Was wünscht sie noch? Sie wird erst gehen, wenn ihr der Sohn ausgehändigt worden ist. Die Mutter soll beruhigt sein: Sie wird ihn bekommen. Woher soll sie es wissen, dass man sich mit ihr keinen Scherz erlaubt? Versteht sie nicht, dass er ihr auf seine Ehre sein Wort als Kastellan gegeben hat? Was weiß sie von seiner Ehre? Imant ist ihr lieber als ihr eigenes Blut. Wenn er ihr weggenommen wird, hat sie weder Stock noch Schutz. Und ihre Schande war dann vergeblich! Goswin beruhigt sie, dass sie ihren Sohn bekommen wird, sobald die Situation es erlaubt. Wie kann sie wissen, dass er ihr keine Leiche aushändigen wird. Zum dritten und letzten Mal erklärt er nun, dass sie ihren Sohn bekommen wird. Die Wachen sollen die Frau fortbringen, denn sie nervt unsäglich. Die Burg wird ihr nicht das Letzte rauben, was sie noch besitzt. Er befindet sich in dem Sack im ersten Schlitten. ... Weiter kommt Mare nicht, denn ein Kämpfer bringt die Verzweifelnde außer Reichweite. Der Männerchor erfleht den Schutz der Heiligen Jungfrau, bevor der Vorhang endgültig fällt. Alle wollen im Kampf zusammenhalten!

3. Akt:

Erstes Bild:

Das Gemetzel ist vorbei. Die jungen Männer wurden von den Rittern der Schwertbrüder mit der Streitaxt in ihren Säcken erschlagen, bevor sie entweichen konnten. Sie hätten mangels Routine und ohne professionelle Ausrüstung auch unter günstigeren Vorzeichen keine Chance gehabt, gegen die Kampferprobten anzutreten, um die Burg zu schleifen. Der Aufstand der jungen Bauern und Jäger wurde im Keim erstickt. Ein Haufen Mut und ein großes Mundwerk reichen nicht aus, um eine kühne Ritterschar aus ihrer Burg zu vertreiben.

Der Kastellan hat sein Wort gehalten. Imant wurde verschont und durfte sein Leben behalten, doch wo gehobelt wird, fliegen bekanntlich Späne. Mutter und Sohn hat man in ein Gewölbe nach oben verfrachtet. Imant trägt einen Verband um die Schläfen, weil er einen Schlag aufs Haupt bekommen hat und in Bewusstlosigkeit gesunken war. Im Schlaf wälzt er sich unruhig hin und her und Mare singt ein Wiegenlied aus ihrer Kindheit „Seisa veri, seisa ver...“, um zu versuchen, die Situation ein bisschen zu entspannen.

Mit ein paar Gefolgsleuten tritt der Kastellan ein, um nachzuschauen, in welcher Verfassung sich seine beiden Inhaftierten befinden. Gegen den Unwillen seiner Schwertbrüder hat der Kastellan sein Wort gehalten. Man wird in Stein gravieren, was Goswin von Herike deklamiert hatte. Die Frau, wie er Mare mit einem Anflug von Herablassung benennt, wird wohl mitbekommen haben, dass der Sieg ihm und seinen Männern gehört. In Sakala wird heute großes Heulen und Zähneknirschen sein, ob des Gestanks der Leichen, die man aus der Festung befördert hat, um sie am See von Viljandi aufzutürmen. Doch der Sohn lebt und sein starrer Blick richtet sich auf ihn.

Doch was hat die gute Frau nun vor? Will sie zu ihrem Volk zurückkehren? Er hält es für denkbar, dass die Dorfbewohner sie aus ihrer Mitte ausstoßen werden, sobald sie den wahren Sachverhalt realisiert haben. Nein, Mare wird ihre Gesellschaft nicht suchen, sondern möchte stattdessen lieber ins Feuer geworfen werden.

Auch gut, aber Goswin von Herike macht Mare einen anderen Vorschlag. Wenn sie mit ihrem Sohn in der Burg bleiben möchte, wäre sie für den Rest ihres Lebens geschützt. Da sie sich die Zustimmung zu seinem Vorschlag nicht anmerken lässt, kann er die beiden auch in Riga absetzen, wo sie niemand kennt und die Rache ihres Volkes sie nicht erreichen wird. Als Fremde unter Fremden werden sie unter den Bauern dort leben. Wenn sie sich dagegen starrköpfig zeigt, weil ihr Dickschädel seine Vorschläge nicht erwägen will, kann ihm das auch egal sein. Dank ihrer krummen Beine habe die Heilige Jungfrau ihn und die Schwertbrüder gesegnet. Weil sie ihre Füße zu seinem Vorteil wund gelaufen habe, will er sie nicht ganz ohne wirtschaftlichen Rückhalt lassen. Er wirft ihr eine Börse mit Geld vor die Füße, die Mare sogleich mit dem Fuß zurück schiebt. Sie habe ihm schon immer gesagt, er solle sein Geld dem Wolf in seine Höhle werfen!

Imant erwacht und erkundigt sich bei seiner Mutter, wo er sich befinde. Sein Kopf fühle sich an wie ein gefüllter Bauch und brenne wie Feuer. Wo die anderen seien, will Imant wissen. Er solle sich beruhigen, nimmt er ihre Worte war. Er solle versuchen zu schlafen. Mare singt ihm ein Lied aus Kindestagen vor, wie eine Mutter eine Wiege durch die Wiese transportiert.

Sie soll jetzt mit ihren Kinderreimen aufhören und ihm keinen Schwachsinn erzählen. Hat sie in Erfahrung bringen können, wo er und sie selbst sich aktuell befinden und in welchen Händen die Burg jetzt ist? Er sei völlig konfus und könne den Tag nicht von der Nacht unterscheiden. „Hilf mir, Mutter!“ Wenn sie das könnte, würde Mare in Entzücken fallen. Aber wenn sie zu sprechen beginne, könnte es wie eine Lüge klingen! „Was ist passiert?“ Er will eine klare Antwort und die Mutter soll ihm nicht ständig ausweichen. Wo sind die anderen? Imant muss dreimal fragen, bevor Mare sich bequemt, ihm Antwort zu erteilen. Sie wurden alle erschlagen, er sei der Einzige, der überlebte. Und wieso hat er, Imant, überlebt? Der Herr möge ihr diese Erklärung ersparen. Er sieht die Hände der Mutter zittern. Ein Schatten falle auf sie! Ihr Herz bekomme Schüttelfrost! Alle sind erschlagen, dreihundert kräftige junge Männer von Sakala - alle tot! Nun erinnert sich Imant. Er wünschte ebenfalls zu sterben, doch die Axt wurde abgebremst, bevor sie sein Haupt ein zweites Mal traf und ein Speer sank zu seinen Füßen nieder, ohne ihn zu treffen. Mare weicht schon wieder aus und will ihm erzählen, wie er als winziges Knäblein an der Brust der Mutter gesuckelt hat.

Die Burgherren müssen von ihrem Überfall vorher erfahren haben. Die Feinde standen bereit, sie zu empfangen. In Imants Kopf brummt es wie in einem Wespennest; die Mutter soll ihm bitte den Verband abnehmen! Jemand hat ihnen gesagt, wann wir kommen werden, schlussfolgert Imant! In unserer Mitte ist ein Schurke gewesen, der sie verriet - wie Judas Ischariot für dreißig Silberlinge! Weiß die Mutter nichts über die Sache? Die Angesprochene verneint.

Imant bohrt weiter. Warum wurde er nicht erschlagen wie alle anderen auch? Im Namen Gottes, sie soll ihm die Wahrheit sagen und das Zittern lassen. Wer verkaufte uns? War sie es, die sie an ihre Widersacher verraten hat? Wie hoch war das Blutgeld für seine Brüder? Hat sie ihren Hals mit Gold abfüllen lassen bis zum Rand? Wie kam der Burgvogt dazu, ihr eine Börse mit Münzen vor die Füße zu werfen. Sie habe das Geld nicht angerührt! Es sei eine brennende Lüge, kein Geld bekommen zu haben. Hat er nicht gehört, es sei ihr nicht um Geld gegangen, sie habe sich nicht besudelt! Imant glaubt ihr kein Wort. Wie hoch war die Summe, um die sie gebeten hat? Mare gesteht, als Gegenleistung erhielt sie ihren Sohn und sonst gar nichts.

Imant erregt sich. Mich erhielt sie also. Somit ist er der Preis für seiner Brüder Blut. Sein Herz macht ihn bersten und will aus seinem Mund hervor quellen. „Mutter, ist es wahr, dass du es tatest?“ „Es ist wahr, ich tat es! - Se on totta! Minä sen tein!“

Endlich liefert Mare einen vollständigen Bericht. Hör zu, mein Imant, so war es: Sie eilte zur Burg Viljandi und informierte den Kastellan über die bevorstehenden Aktivitäten. Für den Preis seines Lebens verriet sie die stattlichen jungen Männer ihres Volkes. Sie sah sie auf dem Boden neben ihrem Schlitten liegen, sah in die Gesichter und zählte ihre Köpfe, als seien es Steine auf dem Feld. „Aber du, mein Sohn Imant, warst nicht dabei, denn du lebtest!“ Alles andere war ihr in diesem Moment unwichtig.

O, welcher Teufel ist in seine Mutter gefahren? Was wird nun aus ihm werden, denn es gibt keinen Ort auf dieser Welt, an den er gehen kann. Mare glaubt, einen passenden Vorschlag zu haben. Es ist nicht aus für immer! An den Ufern des Baltischen Meeres hat sie einst eine Höhle ausgekundschaftet, die in Zeiten der Verfolgung schon einmal bewohnt gewesen war. Niemand weiß davon. Dort können sie sich verstecken und warten bis die Ostsee zufriert, dann könnten sie mit dem Schlitten über das Eis nach Finnland fliehen. Nein, sie wird ihren Sohn mit dem furiosen und verärgerten Volk nicht allein lassen. Kostbares Lösegeld hat sie für ihn bezahlt. Seinetwegen ist sie wie ein Ast abgerissen von dem Baum ihres Volkes. Ihm ergeht es genau so. Immer hat sie ihn geliebt, ihren Sohn Imant, und sie wird ihn in der Not nicht im Stich lassen.

Imant wünscht mit fast tonloser Stimme, dass die Mutter weggehen soll, damit er mit seinen Gedanken allein sein kann. Er möchte sich auf das Stroh legen, einschlafen und nicht mehr erwachen. Sie erfülle ihn mit Abscheu und wenn er noch einen Moment wartet, wird er die Person verfluchen, die ihn geboren und gesäugt hat - so schmerzlich es für ihn ist.

Sie soll ihn gehen lassen und nicht versuchen, ihn zurückzuhalten. Der Totenkäfer tickt in den Bruchstellen der Mauer und bezeichnet ihn als Bruderschlächter. „Verlassen muss ich dich, Mutter!“ „Wohin wirst du gehen, Imant, mein Sohn - Minnekkä lähdet poikani imant?“ Wie gehetzt eilt Imant die Stufen nach oben empor und stürzt sich von der Zinne der Burg in den Abgrund. Mare fällt hin - wie umgemäht von einer Sense.

ZWISCHENSPIEL

Zweites Bild:

Das Wasser im See von Viljandi ist mit einer Eisschicht bedeckt. Zur linken Seite befindet sich zwischen entlaubten Birkenstämmen ein Massengrab, welches noch nicht zugeschüttet ist. Auf dem Schlitten, von dem das Pferd abgeschirrt wurde, liegt Imants Körper, bedeckt von einer Pferdedecke. Mare sitzt neben seinem Leichnam - Mango steht beiseite.

Der Frauenchor hinter der Bühne stimmt einen Grabgesang an. Mangos Gedanken beschäftigen sich mit dem toten Sohn von Valdekos Witwe. Ein junger Krieger war er, tapfer und ohne Furcht. Man weiß, dass er wünschte im ersten Schlitten zu sein, in dem die Gefahr am heißesten ist. Mare bestätigt es. Oh, Schmerz ist ihr beschieden, der Witwe Valdekos! Sie hatte sieben Söhne und der tragisch Verschiedene war der letzte. Ein tapferer Mann war er und geerbt hat er von seiner Mutter den ernsthaften Charakter. Ihr ist, als ob heftiges Feuer in ihren Augen brenne. Nur Gott weiß, wann der letzte Brotkrümel ihre welken Lippen passieren wird! Sogar ihr Kopf sei über Nacht grau geworden. Für immer wird das Grab den Liebling bergen. Der Frauenchor hört nicht auf, immerzu die gleiche Weisheit zu verkünden.

Mare fühlt sich angeklagt: Die Schuld stehe vor ihr wie eine Wand. Mango will wissen, von welcher Schuld sie spricht. Sie sei in der Stimmung, dass sie weinen möchte, aber die Tränen wollen aus ihren Augen nicht fließen.

Die Dorfbewohner machen sich Gedanken, weshalb man den toten Körper Imants nicht im Kollektiv mit allen anderen von der Burg gesandt hat. Vier betagte Männer mit weißen Schnauzbärten erscheinen, um Imant für die Bestattung herzurichten. Alles Greise, nur Greise! Gibt es ihn Sakala keinen einzigen jungen Mann mehr? „Nyt viekää hautaan, Valdekon poika, hän oli nuori soturi ja pelkoa paitsi - Geborgen im Grab liegt der Sohn Valdekos, er war ein Krieger jung und ohne Furcht, deklamiert Mango.

Mare lässt sich vernehmen, dass keiner davon weiß, außer Gott im Himmel und sie selbst. Mango, aufmerksam geworden, bohrt: „Was wissen die anderen nicht?“ „Ach, Nichts“. Sie tut so, als ob sie keine Ahnung habe und fordert Mango als den Ältesten des Dorfes auf, das Wort zu ergreifen und zu erzählen, wie das Desaster zustande kam. Wie konnte es passieren, dass der Plan nicht geglückt ist, Burg Viljandi zu zerschlagen? Hat er ihr nicht alles schon zum hundertsten Mal erzählt? Ein Schurke verriet sie und informierte den Kastellan über die Absicht der Bauern, welcher Gefahr die Gäste ausgesetzt seien.

Die Verschlagene fragt, welcher Schurke so gemein agieren konnte? Ist der Übeltäter schon in ihren Händen, beziehungsweise hat Mango schon einen Verdacht? Kommt der üble Bursche aus ihrer Mitte? Was wird er mit ihm machen, wenn er ihn am Kragen hält? Keine Gnade habe er zu erwarten, das sagt er auf seinen Eid. So viele Schläge wie die jungen Männer, deren Tod er verursacht hat, werden auch auf seinen Körper niederprasseln. So soll es sein, selbst wenn er dabei umkommt und er Sonne und Mond zukünftig nicht mehr betrachten kann. Weder oberhalb noch unterhalb der Scholle wird er Frieden finden. Die Halle des Todes wird sein Aufenthalt sein. Gott wird die korrekte Strafe für ihn letztendlich bestimmen. Er wird sie nun nach Hause begleiten. Mare weigert sich, ihn zu begleiten. Er solle vorgehen, sie werde bald nachkommen!

Das Gewissen schlägt in Mares Brust. Sie beklagt das Unglück, welches sich ihrer bemächtigt hat. Alles war vergeblich, Verrat, Schande und Tod! Und wie abgekämpft fühlt sie sich von all den Geschehnissen. Ihr Herz sei mit der Kordel des Todes gefesselt. Für immer sei alle Freude von ihren Händen fortgetan. Ihre Blöße gleiche der eines Knochens.

Gott segnete sie mit einem jungen Sohn, sein Körper war so biegsam wie die Sehne eines Bogens. Und seine dunklen Locken hatten einen angenehmen Duft. Sein Lachen war so frisch wie der Morgentau und die Glut der Sonne leuchtete aus seinen Augen. „Gott segnete mich mit einem jungen Sohn. Er hat ihn wieder zurückgenommen.“ Weinen und beten möchte sie für Imant, damit er aufwächst und zum großen Heros von Sakala wird! Nun ist er ein Totenkäfer und keiner weiß, wo die Spitze seines Kopfes schwingt.

Mare erinnert sich an die Worte Mangos: Kein Pardon wird der Verräter bekommen. Möge er verderben, ohne den Mond betrachten und die Sonne erkennen zu können. Keinen Frieden wird er finden auf der Erde noch sonst irgendwo. Das ist richtig, ich tat es.

„O Herr, groß ist meine Sünde,
groß ist meine Pein.
Aber es geschah für Imants Heil!“

Sie tat es, weil sie ihn so sehr liebte. Für sie ist die Nacht nicht länger Nacht und die Tageszeit nicht länger der Tag. Vor ihr liegt nur Nacht, und Tod nistet in ihrem Herzen. Der Frauenchor begleitet Mares Seelenzustand mit der Verszeile, dass das Grab den Toten bergen wird.

Dieser Singsang macht sie noch verrückt. Durch Fackelschein fühlt Mare sich bedroht. Der Wald richtet sich gegen sie wie der Wind. Mare ist nun innerlich fertig, von den Dörflern möchte sie in der Sache ihres Sohnes ein Urteil empfangen.

„Leute von Sakala,
Frauen und Männer von Sakala!
Hört mich, wie ich alles bekenne vor Gott und den Menschen.
Ich, Mare, die Witwe Valdekos
verriet euch an die Leute von Viljandi
für den Preis von Imant, meinem Sohn.
Hier zwischen Himmel und Erde bekenne ich es.
Ich war es, die es tat.
Somit bekenne ich meine Schuld!“.

Mango will Mare schützen und bittet sie, still zu sein. Der Teufel brenne in ihrem Innern. Die Menge ist von dem plötzlichen Geständnis erschrocken und gestikuliert in Erstaunen. Mare setzt ihre Aussage fort und bezeugt, dass ihr Sohn Imant unschuldig sei. Er war der tapferste unter allen Kriegern von Sakala. Und als er hörte, was seine Mutter getan hat, er ist aus dem Leben gegangen. Ein Gemurmel hebt an, als die Menschen ihre Worte hören. Die Männer von Sakala mögen die Pfeile fliegen lassen, um das Herz zu treffen, damit es erstarrt in Pein! Mango ist erschüttert: „Mare, o Mare.“

Die Menge besinnt sich auf das Vorgefallene und will sich nicht länger beherrschen. Die Sopranstimmen klagen um ihre Männer, die Altstimmen im ihre Söhne. Streckt sie zu Boden, reißt sie in Stücke! Steine werden aufgehoben und auf Mare abgezielt. Die aufgebrachten Menschen zerstreuen sich erst, nachdem die wiederholt Getroffene halbtot am Boden liegt.

„In Sommernächten schreit der Schwan von der Bucht und
im glühenden Herbst kreischen die Vögel von ihren verdorrten Küsten.
Nun, in einer Nacht im frühen Winter, gehe ich in des Eises kalte Umarmung.
Nehmt auf, schwarze Wogen, das Herz einer Mutter, die sündigte.
Schwarze Wasser bringen Vergeben und Vergessen.

Und in der Höhe an der Kante der Wolke erwartet sie Imant, ihr Sohn.
Dort liegt für sie beide eine neue Heimat, in der sie unendlichen Frieden finden werden -
dort oben, zu Hause bei Imant, dort an der goldenen Grenze erwartet Imant seine Mutter.“


Letzte Änderung am 2.12.2011
Beitrag von Engelbert Hellen