Giuseppe Verdi (1813-1901):

Aroldo

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1857
Uraufführung: 16. August 1857 in Rimini (am Teatro Nuovo )
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Erstdruck: Mailand: Ricordi, 1858 ?
Verlag: Mailand: Ricordi, 1941
Mailand: Ricordi, 1983

Kaufempfehlung

CD: Klassika CD-Kaufempfehlung bei jpc
[Details]
Aroldo (Walhall, ADD/m, 1953)
Giuseppe Verdi (1813-1901)

Zur Oper

Art: Lyrisches Drama in vier Akten
Libretto: Francesco Maria Piave (in Umarbeitung der Oper „Stiffelio“)
Sprache: italienisch
Ort: Auf Egbertos Schloss in Kent und in Schottland
Zeit: 1200

Personen der Handlung

Aroldo: ein sächsischer Kreuzritter (Tenor)
Mina: seine Gattin, Egbertos Tochter (Sopran)
Egberto: ein alter Ritter, Minas Vater (Bariton)
Briano: ein Einsiedler, Freund Aroldos (Bass)
Godvino: ein ritterlicher Abenteurer, Egbertos Gast (Tenor)
Enrico: Minas Vetter (Tenor)
Elena: seine Kusine, Minas Zofe (Mezzosopran)
Weitere: Hirten, Ritter, Damen, Kreuzfahrer, Knappen, Jäger, Volk

Handlung

1. Akt:

Die Gäste sollen die Gläser klingen lassen, damit ungewohnte Freude sich in ihren Herzen breit machen kann. Der tapfere Aroldo ist aus Palästina zurückgekehrt und jetzt soll ihm Ehre erwiesen werden! Die Sterne Kents sollen für ihn noch herrlicher leuchten, wie sie das ohnehin schon tun. So lange es auf Erden noch Leben gibt, wird der Ruhm seines Namens bestehen! Die ungläubigen Sarazenen konnten besiegt werden und jetzt wartet auf den Helden eine sanfte und erhabene Liebe. Verdientermaßen kann er sich der Ruhe in den Armen eines treuen Weibes hingeben. Ein Lorbeerkranz soll seine Stirn schmücken. Durch seine Furchtlosigkeit, erwarb er sich Verdienste, die jetzt belohnt werden.

Der Himmel soll Mina zu Atem kommen lassen! Die Freude des Banketts zu Ehren ihres heimgekehrten Gatten war ihr eine Qual. Der Fluch der bösen Tat ist ihr auf den Fersen. Weshalb wird Mina von Gewissensbissen geplagt? Sie fürchtet fast, dass jeder die feurigen Buchstaben, die sie als Ehebrecherin kennzeichnen, auf ihrer Stirn lesen kann. Der allmächtige Gott, der ihre Reue kennt, soll sie retten!

Mina möchte gern wissen, weshalb Aroldo traurig und bekümmert ist, nachdem alle Gefahren überstanden sind. Dem frommen Eremiten an seiner Seite hat sie es zu verdanken, dass die Gattin sich über seinen Tod nicht grämen muss. Der Erstgenannte fand ihn verletzt in Ascalon und kümmerte sich um ihn. Anschließend besuchten sie gemeinsam Jerusalem und schworen sich über dem Heiligen Grab ewige Freundschaft. Leben und kämpfen wollten sie in Zukunft gemeinsam. Gut, dann wird der fromme Eremit der Schutzengel des Hauses sein. Gewiss doch, die Hand des Herrn möge das Haus auf ewig vor Schuld und Verbrechen bewahren.

Aroldo erklärt Mina, dass um ihretwillen sein Herz gezittert habe, als er unter der Sonne Syriens in ein Gefecht verwickelt war. Minas Gewissen meldet, dass seine Worte wie glühende Lava auf sie herab fallen. Während seine Wunden ihn zur Untätigkeit zwangen und er viele Wochen leiden musste, wurde sein Schmerz nur durch die Gedanken an sie gelindert. Die große Gewissensqual wird Minas Leben noch zerstören! Aroldo sieht, dass Tränen sie überwältigen und Mina am ganzen Körper zittert. Quält sie etwa ein verborgenes Leid? Ihrem Mann kann sie es doch erzählen! Nein, so weit möchte Mina nicht gehen. Dann soll sie ihm doch ein Lächeln zeigen! Erinnert sie sich nicht, dass heute ihr Hochzeitstag ist? Wieso trägt sie ihren Ehering heute nicht am Finger? Liegt er in Watte gepackt im Schmuckkästchen? Oh weh! Mina hat ihn nicht mehr. Möge stattdessen die Mutter vom Himmel herab Segen spenden. In Aroldo erwacht der Argwohn, er kann ihn aber nicht zur Entfaltung bringen, weil von draußen Hörner erklingen.

Aroldo geht nach rechts ab und der Schwiegervater kommt von links. Mina ist in einen Stuhl gesunken, stützt den Kopf in beide Hände und gibt sich verloren. Am besten wäre es, reinen Tisch zu machen und Mina verspricht reumütig alles zu erzählen. Der Vater brüllt, wenn die Ehre des Hauses befleckt wurde, soll Godvino zittern! Mina kann nicht länger schweigen, denn sie hat zu viel gelitten. Sie beginnt einen Brief zu schreiben und legt nieder, dass der liebe Aroldo ihr verzeihen möge, weil sie seiner nicht mehr würdig sei. Weiter kommt sie nicht, denn der Vater reißt ihr das Papier aus der Hand. Er verspricht Verzweiflung und Tod für Godvino. Wenn der Vater etwas sagt, meint er das auch so. Sie will mit ihm Schluss machen, aber er möge den Geliebten bitte am Leben lassen.

Ihrer Seele fehle es an Stärke, die Sünde auszulöschen, behauptet der Vater, denn der Teufel der Reue beängstige sie. Ihre verdammte Seele habe Probleme, das unmoralische Verbrechen zu entdecken. Die Schande genügt ihr nicht, jetzt will sie auch noch ihrem Verführer beistehen. Doch der Schwiegervater wird es sein, dem Aroldo die Rettung seiner Ehre zu danken haben wird. Obwohl ihre Liebe unwürdig ist, muss sie Aroldos Gefühle in Zukunft ertragen. Niemals wird sie gehorchen, erklärt die übel Beschimpfte. Hat Mina eine Vorstellung, wie der Vater nun seine Scham überwinden und sie weiterhin als Tochter anerkennen soll? Er verachte die Unwürdige, erklärt der Wüterich, weil sie den Vater in die Schande gestürzt habe. Wie kann der Gute so hart sein? Sieht er die Tränen der reumütigen Tochter nicht? Über die Maßen ist sie gestraft, denn gegen ihren Willen wurde sie in den Sumpf der Sünde gezogen.

Auch das noch! Genug jetzt, Mina soll das Taschentuch nehmen und ihre Tränen trocknen! Der Vater hat einen Plan und dieser wird umgesetzt. Kein Wort der Widerrede, Tränen sind nutzlos! Niemand wird das verhängnisvolle Verbrechen ahnen, wenn Mina Vernunft annimmt. Die Treulose soll die Sünde verbergen, wie in einem Grab. Die Ehre des Blutes befiehlt es! Vor den Augen der Welt darf Aroldos Leumund keinen Schaden nehmen, auch wenn er auf die Liebe eines untreuen Weibes verzichten muss. Das sind furchtbare Worte! Mit gelassenem Lächeln im Gesicht wird sie den Sturm in ihrer Seele vor allen verbergen, zieht Mina ihren Widerstand zurück. Verloren, verloren ist der Schatz, obwohl auf ewig in ihrem Herzen gehütet!

SZENENWECHSEL

In einem hell erleuchteten Festsaal auf Aroldos Burg begegnen sich Nachbarn und Freunde in der Erwartung, dass der Held ihnen von seinen gefährlichen Abenteuern im Heiligen Land erzählt. Doch daraus wird nichts, denn eine „fürchterliche Intrige“ bahnt sich an. Das passende Requisit ist ein Buch, welches in Wirklichkeit gar kein Buch ist, weil es innen statt Seiten Hohlraum hat, in dem man Geheimpapiere schmuggeln kann. Damit kein Unbefugter an die Nachricht kommt, kann man den Nachrichtenbehälter mit einem Vorhängeschloss absperren. Wirklich sinnvoll ist das Versteck nicht, wenn man den Schlüssel stecken lässt und den Behälter wie unbeabsichtigt auf ein Möbelstück legt.

Der Eigentümer des seltenen Utensils ist Godvino, der heimliche Liebhaber Minas. Er klagt, dass die Verehrte vor ihm flieht, obwohl er sie heiß liebt. Er deponiert ein Briefchen in die Box, um auf diese Weise den Kontakt zu Mina herzustellen. So wird er sein Schicksal erfahren, wenn sie antwortet.

Briano beobachtet Godvino und argwöhnt eine Intrige, hat aber keine Ahnung wie diese aussehen könnte und wie er den Verdächtigten einordnen soll. Er verwechselt ihn auch noch mit Enrico, einem anderen Gast, der genau so gekleidet ist wie Godvino. Der Eremit frohlockt, dass der Schuldige nun gefunden ist und man ihn seiner Strafe zuführen wird. „Sieht Aroldo das Buch, von dem sein Ehre abhängig ist?“. „Himmel!“ Briano deutet auf Enrico, den er für Godvino hält. Dieser habe in dem Buch ein Briefchen versteckt, plaudert er.

Der Chor setzt an, Aroldo zu preisen, weil der mächtige Krieger des Kreuzes Kent so viel Ehre gebracht habe. Alle wünschen ihm von Herzen ein Leben, welches mit Frieden und Liebe angefüllt ist. Jetzt soll er von den Taten des Königs Richard Löwenherz erzählen. Aroldo bequemt sich, eine andere Geschichte von sich zu geben. Also, die Gäste sollen zuhören:

Es gab in Palästina einen Mann, der so falsch war, dass er seinem Freund eine Falle stellte, um seine Ehre zu zerstören. In ein verschlossenes Buch legt er einen Brief, der den Weg zum Verbrechen vorbereiten sollte. Ein alter Mann, der das Haus seines Gastgebers überwachte, brachte die gemeine Intrige ans Licht!

Aroldo fordert Mina auf, das Buch mit dem beigelegten Schlüssel zu öffnen. Ihre Angst sei völlig unbegründet. Vielleicht liege hier die Möglichkeit zur Verurteilung eines gemeinen Verräters. Alle sind erschrocken. Welch schrecklicher Gedanke wächst in ihnen? Gewiss wird das Buch ein furchtbares Geheimnis enthüllen. Nachdem Mina sich sträubt, bricht Aroldo das Schloss auf und ein Briefchen fällt aus dem Behälter.

In diesem Moment mischt Egberto sich ein. „Halt, du darfst diesen Brief nicht lesen!“ Noch darf er wissen, wer ihn schrieb und an wen er gerichtet sei. Egberto hat den auf den Boden gefallenen Brief an sich genommen und weigert sich, den Umschlag Aroldo auszuhändigen. Er bringt den Einwand, dass er ein alter Mann sei und man ihn aus Gründen der Pietät nicht zwingen könne, das Schriftstück herauszugeben.

Aroldo macht klar, dass ihn vor seinem Zorn niemand retten könne. Die Wut mache ihn blind und er könne seinen Ärger nicht länger zurückhalten. Mina versucht schlichtend einzugreifen und versperrt Aroldo den Weg, als dieser auf den Alten eindreschen möchte. Er soll seine Wut auf sie fallen lassen, aber den Vater bitte verschonen. Die weißen Haare auf seinem Kopf soll er respektieren.

Inzwischen hat Egberto Godvino zugeflüstert, dass er auf dem Friedhof auf ihn warten will. Dort wird er außer ihm selbst noch eine Auswahl an Waffen vorfinden, wovon er sich eine aussuchen darf. Der gewalttätige Vater beschimpft Godvino als Verräter. Dieser entgegnet, dass er seinen Zorn lediglich beherrscht, denn wenn er wüsste, wer er sei, würde er sich hüten, ihn einen Verräter zu nennen.

Briano und der Chor singen:

„Ein Teufel weckt Verdacht
in Aroldos Herzen
und zerstörte die schöne Stille
die in jeder Brust ruhte.“

Der Opernbesucher wird sich an den Kopf fassen und sich im Gedankenmüll des Librettisten nicht mehr zurechtfinden, denn dem Ablauf des Finales des ersten Akts fehlen die Logik und der rote Faden.

2. Akt:

Der Friedhof, von dem Egberto gesprochen hat, liegt unterhalb der Burg von Kent. Die Handlungsträger des Geschehens finden sich nach und nach ein. „O, cielo! Ove son io?“ Mina fragt sich selbst, wo sie sich befindet und welche unwiderstehliche Macht sie hertreibt. Sie vermutet, dass es sich um das Reich des Todes handelt, weil sie alles, was sie sieht, grauenhaft findet. Das Zeugnis ihres Verbrechens scheint in jeden Grabstein eingemeißelt zu sein! Das Murmeln eines jeden Windhauchs wird ihr zum Vorwurf. Sie wandelt durch die Reihen der Grabsteine auf der Suche nach dem Grab ihrer Mutter, die ihr in ihrer Not helfen soll. Die Genannte soll dem ewigen Thron ihre Tränen anbieten. Mina denkt, dass der Herr des Himmels der Seligen die Vergebung von Sünden nicht verweigern wird.

Godvino ruft nach ihr. Der Schuft soll gefälligst diesen heiligen Ort nicht schänden und sie ihren Gebeten überlassen. Er entgegnet, dass die Undankbare begreifen soll, dass er sie immer noch liebt. Ach, solche Worte sollten nie über seine Lippen kommen. Wenn ihm noch ein Funken von Ehre geblieben ist, dann möge er ihr doch bitte den Ring, das Wahrzeichen einer sündigen Liebe, zurückgeben und fliehen. Niemals wird er fliehen, denn es wird sich wahrscheinlich als notwendig erweisen, sie zu beschützen.

Aus der Tiefe des Grabs erklingt ein finsteres Brausen. Der Geist der Mutter will ihr Angst einjagen. Sie spürt bereits, wie der Blitz, den sie von ihren Lippen schleudert, trifft. Die Verängstigte befürchtet, dass Aroldo die Zusammenhänge errät, wenn der Geliebte sich in ihrer Nähe aufhält. Er soll jetzt endlich abhauen. Egberto kommt. Unter seinem Mantel hält er zwei Schwerter verborgen. Gebieterisch befiehlt Egberto, dass seine Tochter sich außer Reichweite begeben soll. Der Vater soll sie doch bitte anhören, doch Egberto hat dazu keine Geduld. Er zeigt die Schwerter vor und fordert Godvino auf, für sich eine Waffe zu entscheiden. „Aha, ein Duell?“ „Jawohl, bis zum Tode!“ Wäre der Kampf nicht ein bisschen ungleich? Wenn das eine Weigerung sein soll, wird er ihn vor der ganzen Welt beleidigen. Godvino erklärt dem Alten, dass seine Drohung in völlig kalt lasse, denn alle, die einem Greis Respekt zollen, werden geehrt werden. Ist etwa sein Gefühl für Ehre erloschen? Macht den unwürdigen Feigling seine Verachtung nicht rasend? Egberto behauptet, sein Geheimnis zu kennen, denn Godvino kenne seinen eigenen Vater nicht. Nun verlangt der Angegriffene doch nach einem Schwert. Beide gehen aufeinander los und singen dazu den gleichen Text:

„Nessun demone, niun Dio
A' miei colpi di torrà!
Col tuo sangue il furor mio
L'onta infame tergerà!“

„Weder Teufel noch Gott wird Dich vor meinen Schlägen retten! Mein Zorn wird mit Deinem Blut meine Schande auslöschen“ heißt der Text in deutscher Sprache. Aroldo hatte in der Kirche gebetet und kommt nun die Treppe herunter. Er erkundigt sich, was das für ein Lärm sei. Etwa ein Duell? Sofort sollen die Kampfhähne die Schwerter fallen lassen. Wissen die beiden nicht, dass sie einen heiligen Ort schänden und auf den Köpfen der Toten herumtrampeln? Die Gemaßregelten überlegen, ob sie für ihre Auseinandersetzung nicht besser einen anderen Ort auswählen wollen, denn einer von beiden muss sterben. Aroldo sagt, dass er ihnen überall hin folgen wird. Hat er vergessen, dass er mit seinem Schwiegervater spricht? Aroldo entgegnet, dass er im Namen des Herrn spricht. Der Bruder soll dem Bruder verzeihen und jetzt nieder mit den Waffen! Aroldo fordert Godvino auf, dass er das Schwert zuerst fallen lassen und ihm friedfertig die Hand geben soll, weil er der Jüngere sei. Egberto findet es eine unerhörte Schande, dass Godvino die Hand des Mannes schüttelt, den er betrogen hat. Wieso betrogen? Der Alte Schwätzer soll erklären, was er meint.

Mina tritt auf. Der Waffenlärm störte sie beim Beten und jetzt will sie auch noch wissen, was geschehen ist. Wird die Wahrheit bald ans Licht kommen? Aroldo drängt! „Gnade, Gnade. Aroldo“ fleht Mina. Er war es also, stellt Aroldo fest. Welch furchtbares Geschick! Das darf doch nicht wahr sein. Mina soll ihm sagen, dass er sich irrt. Mina bleibt stumm! Also gibt es keinen Zweifel mehr. Aroldos Fuß wird das untreue Weib zertreten!

Ein Quartett bahnt sich an: Mina legt los, dass der Blitz über ihrem Haupt sich nun entladen hat. Das Leben, welches ihr verbleibt, wird ein langsamer Tod sein. Gott, welcher der Vater aller Unglücklichen ist, wird ihr seine Gnade nicht verweigern. Egberto deutet auf seine Tochter, dass sie sich eines furchtbaren Verbrechens schuldig gemacht habe und mit den Tränen, die sie weint, wird Gott ihr Schicksal niederschreiben. Ihre Tat darf nicht ungerächt bleiben. Der Blitzschlag, der sich verzögerte, wird jetzt um so stärker niedersausen. Godvino erklärt sich bereit, die Verantwortung zu übernehmen und versteht nicht, weshalb Egberto zögert, ihn zu töten. Er soll erkennen, dass er nicht zittert, doch wenn er zu lange wartet, verliert er die Geduld und er wird von seinem Arm erfahren, dass er keine Feigheit kennt. Ohne Zweifel wird ein neuer Kampf seine Ehre wieder herstellen. Egberto wendet sich an Aroldo, dass er verstehen soll, dass Mina unschuldig sei und deshalb auch nicht bestraft werden kann. Aroldo meint, dass er nun verstanden habe. Aroldo fordert Godvino auf, die Waffe zu nehmen und gegen ihn zu kämpfen. Dazu hat Godvino nun wieder keine Lust. Hört er die furchtbaren Laute nicht, die von den Gräbern herauf dringen? Er soll zittern, denn die verhängnisvolle Stunde hat geschlagen, in welcher der Schuft seine Strafe erhalten wird! Dem Ernst der Lage angemessen, ertönt nun der Kirchenchor: Gott soll den Sünder in seinem Zorn nicht bestrafen, die Folge wäre, dass er verschwinden wird wie die Wolke vor der Sonne. Falls der Herr des Himmels sich erbarmt, zeigt der Chor sich erkenntlich und wird von seiner Glorie singen!

Briano kommt jetzt aus der Kirche und ermahnt Aroldo zur Selbstbeherrschung. Aroldo überkommt plötzlich eine höllische Wut. Er bittet den Freund, seine kalte weiße Hand auf sein Herz zu legen, damit das Tempo des Klopfens sich verlangsamt. Seine Blutgefäße seien ausgebrannt, deshalb soll er den roten Saft am Durchfluss hindern. Der Freund soll ihn bitte nicht verlassen, denn er habe alles verloren. Unsinn, von biologischen Abläufen habe er keine Ahnung, aber Aroldo soll dem Kirchenchor lauschen. Kreuzfahrern und Rittern ist es bestimmt, an ihre Gelübde zu denken - so lautet die Stimme des Herrn. „Friede, Gnade, niemals! Möge das verruchte Weib verdammt sein!“ Mina fällt Aroldo zu Füßen. Briano erklärt, dass der Herr der Gerechtigkeit vom Kreuz aus der Menschheit seine Vergebung anbot. Aroldo hat einen Schwächeanfall, strauchelt und fällt die Kirchentreppe hinunter. „Oh Unglückseliger!“ kommentiert der Opernchor voller Mitgefühl.

3. Akt:

Egberto ist verärgert, dass er Godvino nicht zu fassen bekommt. Schande auch! Schon wieder entkommt der Übeltäter seiner Rache! Das Schwert der Ehre, welches so lange an der Seite des alten Kriegers hing und ihm in seinen Kämpfen jede Menge Ehre eingetragen hat, soll von ihm weichen. Egberto wirft den Stahl von sich, denn er ist seiner nicht mehr würdig; er fühlt sich entehrt. Was nützt ein Leben ohne Ehre? Es bedeutet nichts als Schande.

Doch was wird aus seiner Tochter, wenn er durch eigene Hand aus dem Leben scheidet? Was wird aus ihr? Eine Träne kullert aus seinem Auge. Was soll das? Eine Träne im Auge eines Soldaten? Von Mina glaubte er einst, dass der Himmel ihm einen Engel geschenkt habe, einen Strahl der reinsten Liebe für den Winter seines Lebens. Er träumte! Wie konnte er ein solcher Narr sein? Die Freude seines Lebens ist verschwunden. Nur die Unehre wird ihm zum Grab folgen.

Briano tritt auf und kündet, das Godvino nicht geflohen sei, sondern die Frechheit besäße, bald bei Aroldo aufzutauchen. Egberto freut sich, dass er nun Rache nehmen kann - einer von beiden wird unter diesem Dach sein Leben lassen. Gewinnt er den Zweikampf gegen den Liebhaber seiner Tochter, wird er wie neu geboren sein. Godvino hat die Vorladung Aroldos ernst genommen und ahnt bereits, was er ihm vorwerfen wird. Seine Rache wird er ihm nicht verweigern, wenn er sie wünscht, soviel nimmt er sich vor.

Nein, Aroldo will keine Rache, er hat nur eine Bitte. Was würde Godvino tun, wenn Mina ebenfalls frei wäre. Was will er damit sagen? Er soll jetzt bitte keine Fragen stellen, sondern Antwort geben. Das sei unmöglich, so lange er nicht weiß, um was es konkret geht. Mina soll herkommen! Was will Aroldo eigentlich herausfinden? Jetzt muss der Geforderte Klartext sprechen, wenn der Dialog weitergehen soll. Zieht Godvino es vor, eine mit Schuld beladene Freiheit zu genießen oder gebietet ihm seine Ehre, die Zukunft einer von ihm geschändeten Frau zu sichern? „Himmel!“

Mina wird eröffnet, dass das folgende Gespräch unter vier Augen mit ihr unumgänglich ist - bevor sie sich trennen werden. Will der Herr Gemahl verreisen? Das ist richtig, er wird das Feld räumen, weil er beabsichtigt, den Blick in Zukunft nur noch auf den Herrn zu richten. Seinem Schicksal ergeben, wird er seinen Fußstapfen folgen. Mina biete sich dadurch die Möglichkeit, mit dem Mann ihres Herzens vereint dem Weg der Schande zu folgen. Was sagt er da, fragt Mina unschuldig. Nun, als sie beide heirateten, wurde ihre Liebe mit seiner gekoppelt. Alles hat sich zwischen ihnen geändert und jetzt wird der unglückliche Knoten zerschlagen. Aroldo gibt Mina die Trennungsurkunde. Sie muss nur noch unterschreiben - er habe es bereits getan. Mina fleht um Rücksichtnahme: Der Hartherzige soll sie nicht der Schande und Trauer übergeben. Oh weh! Sie kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Mina soll sich nicht einbilden, dass seine eigene Trauer durch ihre Tränen gemindert würde. Gut, dann soll sie ihm das Dokument geben wenn er ihre Tränen für falsch hält. Nun sind beide frei und alles ist vorbei! Jetzt möge er sie anhören, obwohl er abwinkt.

Ihre Worte seien nicht für den Ehemann, sondern für den Richter bestimmt. Gott hört in seiner Gnade dem Schuldigen immer zu, wenn er vor dem Galgen steht. Sie sei die Schuldige und verlange von ihm, dass er sie richte. Auch wenn sie von rechten Wege abgewichen ist, sei ihre Seele rein. Ihre Trauer ist der Beweis dafür. Wenn er sie aus seinem Herzen ausstößt, ist sie gezwungen, eine neue Verbindung einzugehen, um wirtschaftlich weiterleben zu können und um ihre Ehre wiederzugewinnen. Er soll nicht vergessen, dass sie ihn immer geliebt hat und ewig weiterlieben wird. Gott ruft sie zu ihrem Zeugen! Wovon spricht sie eigentlich, fragt Aroldo.

Egberto tritt leibhaftig in Erscheinung und hat ein blutiges Schwert in der Hand. Seine Erklärung lautet, dass derjenige, der die Schande ausplaudern könnte, tot ist. Der Opernbesucher ist überrascht. Wie geschickt hat der Alte sich bei der Bluttat angestellt? Ist des Schwertes Spitze in den Rücken eingedrungen oder hat sie den Weg zur Leber des Opfers genommen? War es ein Mord, ein Duell oder eine Sühnetat?

„Vieni al tempio del Signore,
virtù nuova avrai colà.“

Briano bittet in den Tempel des Herrn, in dem neue Tugend wiedergewonnen werden kann. Auch Aroldo meint, dass man jetzt den Weg ins Gotteshaus nehmen sollte, um den verhängnisvollen Mauern zu entrinnen. Der Mensch hat hier vor Ort Verbrechen und Tod verewigt. Dieses Gebäude soll allen Verführern ein warnendes Beispiel sein. Gott hat es verdammt und wird es mit Schande bedecken.

Für Mina gibt es auf Erden keinen Trost für ihre unbeabsichtigte Sünde. Trotzdem fleht sie zu ihrem Schöpfer, dass er das Schatzkästchen seiner Gnade öffnen soll, denn ihr Herz hat nie gefehlt, es war nur der böse Leib, der sündigte. Wie man die Sache auch dreht, den Ehemann ist Mina für immer los und den Liebhaber auch. Eine Ohnmacht ist angesagt.

4. Akt:

Die beiden alten Freunde Aroldo und Briano hat es nach Schottland verschlagen. Zeit ist vergangen, doch Aroldo erklärt, dass in seinem Herzen immer noch Qual herrscht, weil er von einer Untreuen betrogen wurde. Theoretisch müsste er sie hassen, aber er liebt sie noch immer.

Der Tag geht zur Neige und die Herde findet den Weg in den Stall. Grüne Täler dienten den Tieren zur Weide und ein silberner Bach löschte ihren Durst. Die Sonne sinkt herab und die Jäger verlassen die dunklen Wälder. Über unwegsame Felsen haben sie das Wild gejagt. Kein einziger Schuss hat sein Ziel verfehlt. Die Schnitter verrichteten ihr Tagwerk. Unter der brennenden Mittagssonne ernteten sie das goldene Getreide. Nun kehren sie in den angenehmen Schatten zurück, um die frische Brise zu genießen. Ein glücklicher Tag war allen vergönnt. Ihr Lob und Dank soll dem Himmel gelten. Der Chor fasst zusammen: Der Tag geht zur Neige, die Sonne sinkt herab und die Nacht bricht herein.

Die Abendglocke der benachbarten Kirche fordert zum Gebet auf. Die beiden Eremiten knien für einen Moment nieder, um zu beten und das Herz zum Himmel emporzuheben und streben dann ihrer einsamen Behausung zu. Plötzlich zieht ein Gewitter auf. Donner ist zu hören und Blitzstrahlen bedecken den Himmel.

Ein Boot ist in dem heftig wütenden Sturm gestrandet. Die Segel sind zerfetzt und hilfreiche Hände ziehen das Boot ans Ufer. Die Bewohner raten, dass sie an die Tür jenes Hauses klopfen sollen, in dem zwei fromme Eremiten wohnen. Hier finden sie eine Herberge, denn ein Hotel gibt es nicht.

In den Schiffbrüchigen erkennt der Opernbesucher Mina und ihren Vater. Die Unglückliche behauptet, nicht mehr aufrecht stehen zu können. O weh! Sie wird vor Entkräftung gleich zusammenbrechen. Am besten wäre es zu sterben. Sie soll den Zustand noch ein Weichen ertragen, denn gleich würde es besser. Der alte Vater soll einer entehrten Frau verzeihen, die ihm so viel Kummer macht und ihm von einem Ort zum anderen folgt. Sie soll mit ihrer dummen Geschichte endlich aufhören, sich auf den Felsen setzen und ihre Tränen trocknen. Er wird anklopfen und nachfragen, ob noch ein Plätzchen für zwei arme Schiffbrüchige frei ist. Aroldo erklärt, dass Fremde unter seinem Dach immer willkommen sind. Mina räuspert sich und Arnold fragt, wer auf dem Felsen in seinem Vorgarten sitzt und seufzt. „Eine Traurige.“ „Mina, bist du es wirklich? Das darf doch nicht wahr sein!“ Doch dann besinnt Aroldo sich darauf, was die Verfluchte ihm angetan hat. Sie soll nicht näher kommen! Wahrscheinlich hat sie nichts anderes im Sinn, als in seinem Herzen ein neues Höllenfeuer zu entfachen. Er will nicht wieder gezwungen werden, sie noch einmal zu verfluchen.

Egberto versucht nun Aroldos Herz zu erschüttern. Die Stärke des Sturms habe ihm Mina zu Füßen geworfen. Auch wenn er sie nicht mehr seine Frau nennen kann, so ist sie immer noch seine Tochter. Er möge diesen Umstand bitte respektieren. „Taci mio padre, calmati.“ Der Vater möge sich beruhigen, denn sie möchte lieber weiterziehen, weil das gleiche Dach nicht alle schützen kann. Mina führt an, dass die Trauer ihre Haare weiß gefärbt hat und dass sie bereits drauf wartet, ihre letzte Stunde schlagen zu hören. Ihre einzige Hoffnung ist es, seine Vergebung zu erlangen, bevor die Augenlider sich für immer senken. Der unglückliche Vater fällt Aroldo zu Füßen, Mina ist völlig aufgelöst und Briano hat einen frommen Bibelspruch zur Hand.


Letzte Änderung am 22.8.2011
Beitrag von Engelbert Hellen