Siegfried Wagner (1869-1930):

Der Heidenkönig

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1913
Uraufführung: 16. Dezember 1933 in Köln (Städtische Bühnen)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 160 Minuten
Erstdruck: Bayreuth: C. Giessel (J.F. Giessel), 1914
Opus: op. 9

Zur Oper

Art: Oper in drei Akten und einem Vorspiel
Libretto: Siegfried Wagner
Sprache: deutsch
Ort: Preußen
Zeit: zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts (zur Zeit der polnischen Eroberung)

Personen der Handlung

Bodo: Oberpriester im „Geheimen Bund“ (Bass)
Wera: Priesterin im „Geheimen Bund“ (Mezzosopran)
Radomar: der Heidenkönig (Tenor)
Ellida: seine Frau (Sopran)
Gelwa: ihre Rivalin (Sopran)
Waidewut: ein Stammesführer (Tenor)
Krodo: sein Bruder (Bass-Bariton)
Der Mönch: ein christlicher Fanatiker (Tenor)
Jaroslaw: Anführer der polnischen Truppen (Bariton)
Hoggo: ein Mühlknecht
Weitere: Ein Mädchen, Magd Gelwas - Sopran
Ein Bursche - Tenor
Ein Bauer - Bariton
und weitere

Handlung

Prolog:

1
Es ist die alte Leier: Mit psychischer und militärischer Gewalt versucht die christliche Religion die althergebrachte Glaubensrichtung auszumerzen und die neue Lehre an ihre Stelle zu rücken. Aber die Pruszen und Wenden möchten an ihren alten Bräuchen festhalten und beugen sich nur äußerlich der rohen Gewalt. Da hilft auch kein Schwören, denn mit der versteckt gehaltenen linken Hand kann der Eid nach altem Brauch sogleich wieder annulliert werden.

2
Es waren die Polen, welche die Stämme der Wenden unterworfen und christianisiert haben. Die göttliche Dreieinigkeit Potrimpos, Percunos und Pikollos wurde offiziell entthront und die alte Eiche, die ihnen geweiht war, abgeholzt, aber die Herzen der Menschen sind nicht geneigt, sich von ihren alten Göttern abzuwenden. Ihr Hoherpriester, der Kriwe-Kriweito und die Waidelotten haben sich im Geheimen Bund zusammengeschlossen - heftig angefeindet von einem charismatischen Mönch, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, das Heidentum auszurotten. Der alte König ist gestorben und die Wenden unter dem Vorsitz von Bodo und der Waidelottin Wera versammeln sich, um heimlich einen neuen zu Herrscher zu wählen. Vorgeschlagen wurde Radomar, aber der Genannte ist nicht zur Versammlung erschienen. Der fanatische Mönch hatte gelauscht und ihre Absicht ausgekundschaftet. Er ist nun bemüht, dass der Schwur auf das Christentum erneuert wird, aber nur scheinbar gehen die Aufgeforderten auf sein Anliegen ein. Das Täuschungsmanöver ist denkbar einfach - ihre alte Religion erlaubt den Eidbruch.

ZWISCHENSPIEL „Glaube“

1. Akt:

3
Der Mönch hat Radomar ausfindig gemacht und beschwört ihn, die christliche Lehre hochzuhalten und die Wahl zum Heidenkönig abzulehnen. In der Krone des Eichenstamms, an den sich Radomar anlehnt, glaubt er den Gott Percunos wahrzunehmen.

4
Bauern schlagen auf eine Birke ein, in der ein Geist stecken soll, der ihr Vieh verhext habe. Als der Mönch sich sich ihnen nähert, fliehen sie. Doch dieser ist ebenfalls abergläubisch und prügelt auf den Busch ein, denn er glaubt, dass der Satan von ihm Besitz ergriffen hat.

5
Ellida steht dem Christentum näher und hat geträumt, die Heidenkrone sei vergiftet. Deshalb hat sie Bedenken, dass ihr Mann Radomar sie annimmt. Sie beichtet ihm, dass sie Ehebruch begangen hat und bittet ihn um Verzeihung. Alles halb so schlimm - Radomar ist in seine Frau vernarrt und entschuldigt den Fehltritt. Gelwa hat ebenfalls ein Auge auf Radomar geworfen und sieht nun, dass ihre Rivalin die größere Anziehungskraft auf das Objekt ihrer Liebe hat und bringt ihm Hohn entgegen.

6
Der Polenführer Jaroslaw bittet im Namen des polnischen Königs um Unterkunft für sein Heer. Er horcht den Mönch über die Führung der Heidenbewegung aus. Dieser verweigert die Auskunft unter Hinweis auf seinen Eid, den er geleistet hat.

7
Gelwa will Ellida provozieren und bittet ihren Bruder Krodo um Hilfe. Sie beschließen, den Gölz - eine Strohpuppe - auf das Dach Radomars zu binden. Der alte Brauch soll ein Hinweis sein, dass die Ehefrau schon vor ihrer Hochzeit fremdgegangen ist.

8
Jaroslaw beabsichtigt, Ellida nach dem Heidenkönig auszuhorchen. Er erpresst sie mit ihrem Ehering, einem Erbstück von Radomars Mutter, der durch dubiose Umstände in seine Hände gelangt ist. Um ihn zurückzubekommen, verabredet sie sich mit ihm am folgenden Abend.

9
Gelwa intrigiert. Sie gibt sich als Ellidas Freundin aus, macht Jaroslaw schöne Augen und sammelt Auskünfte ein. Gelwa wird von der Gemeinde verspottet, als die Betenden aus der Kirche kommen. Offenbar habe sie sich zu früh auf die Hochzeit mit Radomar gefreut. Doch sie führt an, dass Radomar nicht Heidenkönig werden kann, weil sein Weib eine Kriegsbuhle gewesen sei.

10
In blinder Wut ersticht dieser den Krodo, einen anderen Stammesführer. Sterbend ruft dieser seinen Bruder Waidewut zur Rache auf. Ellida glaubt, dass ihre Gegenwart Radomar nur Ungemach bringt und bittet ihn, einer Trennung zuzustimmen, aber der Ehemann sieht die Situation nicht so dramatisch und will sie nicht gehen lassen.

2. Akt:

11
Eine merkwürdige Rechtsprechung herrscht vor. Radomar wird schuldlos gesehen und von der Anklage des Mordes an Krodo freigesprochen. Schließlich ist er Anwärter auf die Königswürde, aber es gibt noch einen zweiten Bewerber; das ist Waidewut. Gelwa möchte gern Heidenkönigin werden und will seine Wahl unterstützen. In ihrer Eigenschaft als Waidelottin wird Gelwa ihn am Tage, der dem Erntegott Kupâlo geweiht ist, zur Königswürde verhelfen, verspricht sie.

12
Damit die Polen von dem Dreh nichts merken, wird ein Trinkgelage veranstaltet. Gelwa ist vorbereitet, und wird den Wein mit einem Kraut mischen, welches einschläfernde Wirkung hat. Spottlieder und hübsche Mädchen unterstützen das gesellige Beisammensein, bis die Polen müde sind und von den Wenden mühelos gefesselt werden.

13
Vom Mühlenknecht Hoggo wird die Kupâlo-Feier vorbereitet. Er schmückt die Statue des Erntegottes, nimmt einen Schluck aus seinem Trinkhorn und passt auf, dass das ewige Feuer nicht ausgeht. Die Skulptur ist hohl, so dass Hoggo unbemerkt hineinsteigen kann. Waidewut hat sich in Bart und Perücke geworfen und ein Priestergewand angezogen. Ein Ziegenbock wird geopfert und der Mummenschanz kann beginnen. Nach Feststellung der Priesterschaft will der Mühlengott sich nicht besänftigen lassen und sein Standbild wird kurzerhand in den Mühlenbach geworfen.

14
Eben nimmt Radomar einen Brief Jaroslaws in Empfang, als krachend das Scheunentor aufspringt und der Erntegott, dem Mühlenbach entronnen, wieder im Eingang steht. Das Volk sinkt ehrfürchtig auf die Knie. Radomar durchschaut den Trick und schlägt mit der Axt auf die präparierte Figur ein, der nun der eingeschüchterte Hoggo entsteigt. Waidewut bezichtigt Radomar als Verräter an den alten Göttern und sieht in ihm einen Polenfreund. Beim Randalieren fällt das „ewige Feuer“ um und erlischt. Eine wehklagende Stimme ertönt und beruhigt die Gemüter.

15
Jaroslaw befreit die polnischen Gefangenen von ihren Fesseln und wendet sich Ellida zu, die zu dem vereinbarten Treffen gekommen ist. Doch sie verrät ihm nicht, wer der Heidenkönig ist. Nun, dann wird er
Radomar ihren Ehering zeigen. Abermals unter Druck gesetzt, lässt Ellida sich erweichen und sagt ihm, dass derjenige der Heidenkönig sei, der in der folgenden Nacht am Fuß des Rombino-Hügels gekrönt werde.

Doch Jaroslaw rückt den Ring nicht heraus und fordert noch eine Liebesnacht mit ihr. Für Ellida ist das kein Problem, sie erfüllt seinen Wunsch, aber unglücklicherweise werden sie von Radomar überrascht. Ellida hält die Kampfhähne auseinander, aber zu ihrer Verwunderung stellt sie fest, dass der Stein ihres Eheringes sich in Glas verwandelt hat. Die Götter haben eine Entscheidung getroffen und sie hat einen Vorwand, ihren Mann zu verlassen. Er soll froh sein, dass es so gekommen ist und kann seine Freiheit genießen. Ellida lässt ihn stehen! Die Stimme der Wehklage - das Attribut ist personifiziert - ertönt in Wiederholung.

3. Akt:

16
Von Waidewut wird der Kriwe-Kriweito unter Druck gesetzt, um die Durchführung seiner und Gelwas Rachepläne gegen Radomar zu erzwingen. Gemäß dem Willen des Gottes Percunos soll Bodo verkünden, dass nur ein Weg zum Sieg über die Polen führt. Das wäre der Opfertod des Königs selbst.

17
Gelwa empfindet Hass gegen Radomar, weil sie sich von ihm beharrlich verschmäht fühlt. Ellida kommt zu Besuch, um die Wogen zu glätten, aber Gelwa stellt sich quer. Sie sieht ihre Türschwelle entweiht und zündet Räucherwerk an, um ihre Behausung wieder zu reinigen.

Auf heidnischen Zauberspuk besinnt Gelwa sich und weist zwei Hölzer vor, von denen eines den Tod bringt. Sie erklärt, die Stäbe stünden in Vertretung für Radomar und Waidewut! Welchen würde Ellida ins Feuer werfen, wenn sie die Wahl hätte? Ihr unkontrolliertes Getue lässt die Besucherin unbeeindruckt und sie fragt zurück, ob sie Radomar überhaupt wirklich liebe. Über Gelwa macht sie noch die abfällige Bemerkung, dass ihre Tugend nur Klugheit sei und ihre Keuschheit nur aus Kälte bestünde. Dann entflieht sie durch die Nebentür, denn Gelwas Magd kündet die Ankunft Radomars an.

18
Gelwa befindet sich in Verlegenheit und schmückt das Bild ihres ermordeten Bruders Krodo mit Blumen. Nach christlicher Gepflogenheit bekennt er sich an dem Unglück schuldig und bittet Gelwa um Verzeihung. Mit der versöhnenden Geste weiß Gelwa nichts anzufangen und wittert lediglich, dass seine Liebe zu Ellida nicht erkaltet ist. Die Eifersucht triumphiert und sie behandelt Radomar abweisend.

SZENENWECHSEL

19
Am Fuße des Rombino-Hügels wählen die Waidelotten ihren König. Bleich scheint der Mond auf die Zeremonie, in welcher Percunos Schimmel über neun ausgelegte Speere geführt wird. Die Bewegungen, die das Pferd macht, werden von den Waidelotten unheilverkündend gedeutet.

Man ist sich einig, dass Radomar König werden soll. Doch Ellida war von jeher dagegen und taucht in der Verkleidung der Waldheiligen Poggesana auf, um die Waidelotten davon abzuhalten ihn zu wählen. Sie argumentiert, dass Radomar unwürdig sei, da er um einer Dirne zu gefallen zum Mörder geworden sei. Poggesana schlägt Waidewut an seiner statt vor, der sich aber wehrt, nachdem Bodo den Willen Percunos vorgelesen hat, dass der König sich selbst zu opfern habe, damit die Wenden den Sieg davontragen.

Ursprünglich wäre Waidewut gern König geworden, da er sich aber nun sogleich für das Gemeinwohl opfern soll, bringt ihm die Krone keinen Nutzen. Dem Dilemma begegnen er so, dass er der falschen Priesterin ihre Verkleidung herunterreißt und sie ersticht. Ellida sinkt in Radomars Arme und stirbt.

20
Mit den Gebärden des Jammers steigt die Allegorie der Wehklage den Rombinos-Hügel hinab. Waidewut höhnt auch dieses Trugbild und würgt es. Die Götter strafen ihn auf der Stelle und er fällt gelähmt zu Boden. Kriechend erreicht er den Opferstein und krönt sich selbst zu König.

21
Jaroslaw - durch Ellida informiert gewesen - ist mit seiner Kampftruppe zur Stelle und lässt Waidewut und die Waidelotten abführen. Es kommt zum Kampf zwischen Polen, Pruszen und Wenden, dem der eifrige Mönch energisch Einhalt gebietet. Mit Genugtuung stellt der Christenführer fest, dass Radomar von einer Sünderin vor dem Höllenfeuer gerettet wurde.


Letzte Änderung am 23.2.2014
Beitrag von Engelbert Hellen