Georges Bizet (1838-1875):

Les Pêcheurs de perles

deutsch Die Perlenfischer / englisch The Pearl Fishers

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1863
Uraufführung: 30. September 1863 in Paris (Théâtre Lyrique)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 120 Minuten
Erstdruck: Paris: Choudens, 1863 (Klavierauszug)
Verlag: Paris: Choudens, 2003
Paris: Choudens, 1975
Paris: Choudens, 1929
Bemerkung: Nicht in allen Inszenierungen kommt Zurga ungeschoren davon. Nourabad glaubt ihm nämlich nicht, dass Brahma das Feuer vom Himmel geschickt hat, sondern vermutet, dass er selbst es gelegt hat, um den Liebenden zur Flucht zu verhelfen. Seinen Speer stößt er Zurga in den Rücken.

Die meisten Zuhörer wissen gar nicht, dass die Originalpartitur verloren ging und kundige Geister die herrliche Orchestrierung nach dem Klavierauszug rekonstruiert haben. Der große Erfolg, der Bizets Oper „Carmen“ kaum nachsteht, stellte sich erst viel später ein. Dem Exotismus - importiert vom indischen Subkontinent - widmeten sich im 19. Jahrhundert auch andere französischen Komponisten.
Opus: WD 13

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[Details]
Les Pecheurs de Perles (Warner, ADD, 1977)
Georges Bizet (1838-1875)

Hermes Opernlexikon: »Pretre läßt stets merken, wenn ihm ein Stück besonders behagt. Hier ist er Hauptperson; er erzählt ein romantisches Märchen, dessen exotische Prinzessin von der Cotrubas innig und berührend gesungen wird.«

Zur Oper

Art: Oper in drei Akten
Libretto: Michel Florentin Carré und Eugène Cormon
Sprache: französisch
Ort: Ceylon
Zeit: 19. Jahrhundert

Personen der Handlung

Zurga: König der Perlenfischer (Bariton)
Nadir: sein Freund (Tenor)
Leïla: eine Tempelpriesterin (Sopran)
Nourabad: Gemeindeältester (Bass)

Handlung

1. Akt:

Erste Szene:

„Wo im Sonnenbrand
Glüht der weiße Strand,
Lasst das Zelt uns fügen!
Braune Mägdelein
Schwinget euch in Reih'n,
Dass die Haare fliegen!
Die bösen Geister scheucht fort
Mit frohen Liedern von diesem Ort.“

Grandiose Chöre locken den Opernbesucher an die Küsten Ceylons, an denen es böse Geister in Fülle gibt. Mit frohen Liedern soll der unliebsame Spuk weggescheucht werden, damit die fleißigen Fischer unbefangen in ihre Boote steigen können. Der Ausdruck „Perlenfischer“ ist unglücklich gewählt, denn es wird nicht gefischt, sondern getaucht und zwar nach Muscheln, in denen sich eine kostbare Perle befinden könnte. Dieser Vorgang wird nicht eindringlich beschrieben, denn dem Komponisten lag mehr daran, die braunen Mädchen vorzustellen, deren schwarzen Haare im Wind flattern. Ob es den Damen gelingt, mit ihren Liedern böse Geister zu einem Ortswechsel zu veranlassen, bezweifeln selbst Zurga und Nourabad. Der Letztgenannte ist der Dorfälteste, der auch priesterliche Aufgaben wahrnimmt, während Zurgas Ehrgeiz sich darauf erstreckt, zum Anführer der Perlenfischer erkoren zu werden.

Einmal im Jahr kommen die Männer der näheren und weiteren Umgebung zum Erfahrungsaustausch zusammen. Die Zunft singt von ihrer schicksalhaften Verbundenheit und der Unbill, die unterhalb der Wasseroberfläche auf sie lauert. Ständig gilt es, den vielfältigen Gefahren zu trotzen. Entweder sind es böse Geister, die Übles im Schilde führen, oder Hammerhaie, die ihnen nach dem Leben trachten. Als Belohnung gehört ihnen schließlich die schöne weiße Perle, die sich - für jedes Auge unsichtbar - in der Muschel befindet. Die unaufhaltsamen Wiederholungen der Strophen ziehen zur Freude des aufmerksam lauschenden Besuchers den opulenten Einleitungschor unaufhaltsam in die Länge. Er beginnt und endet mit „Sur la grève en feu ...“

Zweite Szene:

Zurga tritt auf und bittet die lieben Leute, ihr Vergnügen und ihre freudigen Tänze für einen Moment zu unterbrechen. Er erklärt ihnen, dass die Zeit gekommen sei, um einen Führer zu wählen, dem im kommenden Jahr das Kommando anvertraut wird, damit er die bunt zusammen gewürfelten Menschen schützen und verteidigen kann. Der Erkorene sollte umsichtig, aufmerksam und tapfer sein. Was besonders wichtig ist - bei allen sollte er beliebt sein! Lebhafte Zustimmung kommt von allen Seiten, dass Zurga die geeignete Person sei, den sie als ihren König betrachten wollen. Er sei ihrer aller Meister und mit Freuden würden sie seine Herrschaft akzeptieren. Zurga lässt sich nochmals bestätigen, dass man ihm gern gehorchen will und alle Macht in seinen Händen läge. Selbstgefällig stellt der Angenommene fest, dass er mit der Wahl seiner Person das Resultat erzielte, welches er sich vorgestellt hat.

Dritte Szene:

Unerwarteter Besuch klettert den Felsen herunter. Der Chor der Perlenfischer erkennt in Nadir den Jugendfreund Zurgas. „Oui, Nadir, votre ami d'autrefois“. Ja, Nadir, der so lange verschwand, kehrt zurück in den Kreis der Brüder. Er bezeichnet sich selbst als Kurier der Wälder, dessen Tritt im feuchten Moos verhallt. Den Dolch zwischen den Zähnen folgte er dem gelbbraunen Tiger mit seinen wild lodernden Augen und trotzte den Krallen des dunkelgrauen Panthers. Was er vorträgt, klingt ein bisschen vermessen, eher ist Nadir nur ein kleiner Fallensteller, der wilde Tiere einfängt, um das Fell zu verkaufen. Der kleine Angeber wird eingeladen, ein Weilchen bei ihnen zu bleiben, um an ihren Spielen teilzuhaben. Man ist fröhlich miteinander und nachdem die Menge sich auflöst, haben die beiden Freunde endlich Gelegenheit, sich nach langer Zeit der Abwesenheit auszutauschen.

Vierte Szene:

Zurga gibt seiner Freude Ausdruck, den Freund nach so langer Zeit der Abwesenheit wiederzusehen. Lange Tage und Monate haben sie - einer vom anderen getrennt - verbracht und nun hat Brahma sie wieder zusammengeführt. Die Freude ist gegenseitig. Doch hat der Jüngere auch sein Gelöbnis gehalten? Ist es ein Freund, den er wiedersieht, oder ein Betrüger? Der Jüngere bestätigt, dass er die Liebe, die ihn einst überwältigte, in den Griff bekommen hat. Dann wollen sie die Vergangenheit ruhen lassen, denn auch Zurgas Herz ist von einstiger Narrheit gereinigt. Sehr schön, dass der Friede zu ihm gekommen ist, aber das totale Vergessen habe sich bei ihm noch nicht eingestellt. Wie meint Nadir das? Nun, man muss erst ein gewisses Alter erreichen, bis die Träume der Jugendzeit vorüber gezogen sind, dann wird sich auch die Erinnerung an den Aufenthalt an den Toren des Tempels von Kandy verflüchtigen.

Doch auch Zurga erinnert sich noch ziemlich exakt an jenen Abend, als das Gesicht der Brahmanen in der kühlen Abendluft badete, während sie die Menge zum Gebet riefen. Aus den Tiefen des heiligen Tempels tauchte eine Frau auf, die mit Blumen und Goldschmuck völlig bedeckt war. Die Menge schaute zur ihr auf wie zu einer Gottheit, als sie die Arme aus der Dunkelheit in ihre Richtung streckte. O Vision, o Traum! Die Frau hob den Schleier und die Menge sank auf die Knie. Die beiden Freunde bestätigen sich gegenseitig, dass die Schönheit eine Gottheit gewesen sein muss, die zu ihnen hernieder gestiegen sei und den Schleier gehoben habe. Bereitwillig öffnete ihr die Menge einen Pfad, den Schleier hatte sie wieder in die alte Position geschoben und dann hatte sie sich hoheitsvoll entfernt.

Die beiden Freunde verfolgten sie mit ihren Augen, denn ihre Seelen hatten Feuer gefangen. Beide fühlten instinktiv, dass die Gewalt der Liebe ihre Herzen konsumierte. Sie ahnten, dass die eine Hand die andere zurückweisen und die Liebe zu der schönen Frau sie in Feinde verwandeln würde. Dann siegte die Vernunft gegen das Trugbild und beide versprachen sich, Freunde zu bleiben und sie nichts mehr trennen könne. Brahma hat sie nun wieder zusammengebracht und beide versprechen sich, auch in Zukunft treu zu ihrem Gelöbnis zu stehen. Freunde bis zum Tod wollen sie bleiben und sich gegenseitig wertschätzen.

Fünfte Szene:

Was beobachtet Zurga? Ein Kanu landet ganz in der Nähe. Brahma sei Dank! Nadir will wissen, auf wen er gewartet habe und bekommt erschöpfende Auskunft. Dem Priester und Ältesten der Gemeinde steht es nach altem Brauch zu, eine unbekannte Frau, die ebenso klug wie schön ist und eine Gesangsausbildung hat, einzuladen. Von einem Platz, der von hier weit weg ist, kommt sie und wird sich verpflichten, ein Jahr lang hoch oben auf dem Felsen Dienst zu tun. Ihr beschwörender Gesang, der aufsteigt und über den Köpfen der Dorfbewohner schweben wird, schafft die bösen Geister weg und gibt der Bevölkerung das Gefühl von Schutz und Sicherheit. Ein dichter Schleier versteckt ihr Gesicht vor aller Augen. Keiner darf sie sehen oder sich an sie heranmachen. Nun ist die sehnlich Erwartete erschienen und mit den Dorfbewohnern soll Nadir ihre Ankunft ebenfalls feiern. Man freut sich, dass der weite Weg sie hierher geführt hat und bietet der Fremden Blumengirlanden zum Gruß an.

Sechste Szene:

„Sois la bienvenue - Sei willkommen hier!“ Die Frauen des Dorfes bitten die Unbekannte, ihre Geschenke anzunehmen. Im Chor machen sie die Fremde mit ihrer zukünftigen Aufgabe vertraut. Sie soll singen und nicht nachlassen, bis ihr der Atem stockt, damit der Sturm abflaut beziehungsweise durch ihren süßen Ton dafür sorgen, dass ein Unwetter erst gar nicht aufkommt. In Ergänzung tummeln sich vor Ort noch Geister des Meeres, der Wiesen und Wälder - eine verdorbene Bande - die es zu verscheuchen gilt. Vor ihren Anfeindungen soll die Priesterin die Bevölkerung schützen und über sie wachen. Zum besseren Verständnis muss erklärt werden, dass die Geister Ceylons im Gegensatz zum Opernbesucher von süßem Gesang nicht angezogen, sondern abgestoßen werden. Die Sirenen verschwinden als erste, weil sie im Wettstreit gegen die Kunst einer Priesterin aus Kandy keine Chance haben.

Zurga geht auf die Fremde zu und macht sie mit ihren Arbeitsbedingungen bekannt. Die reine und makellose Jungfrau darf in ihrer Mitte weilen, muss aber versprechen, unter ihrem Schleier versteckt zu bleiben. Leïla gelobt es! Jetzt muss die Neue noch schwören, dass sie ihrem Gelöbnis treu bleiben und die Zeit, während sie nicht singt, im Gebet zum Vorteil der Perlenfischer verbringen wird. Während der Gebetsübungen soll Leïla sich neben dem dunklen Abgrund aufhalten. Auch das schwört Leïla. Damit noch nicht genug! Ihr Leben soll sie freudlos verbringen; Herrenbekanntschaften sind der Priesterin absolut untersagt. Ein drittes Mal hebt die junge Frau die Hand zum Schwur.

Wenn sie den Gesetzen treu bleibt, werden die Dorfbewohner Obacht auf ihre Sicherheit haben und ihr die schönste Perle schenken, die sie finden. Ein einfaches Mädchen wird ihr als Dienerin zugeteilt. Wenn die Angeworbene dagegen abtrünnig wird oder ihren Dienst nachlässig ausübt, wird man sie verfluchen. Keineswegs sind diese Worte leere Drohungen, denn Nourabad und der Opernchor wiederholen im Kollektiv eindringlich, was Zurga gesagt hat. Der Tod wird sie erwarten und das Grab steht für sie offen, falls sie ihren Schwur vergisst. Nadir hat es auch mitbekommen und weiß, dass ein furchtbares Schicksal im Falle von Unbotmäßigkeit auf eine Frevlerin lauert. Zurga sieht, wie Leïla bebt und ihre Hand zittert. Als letzte Chance räumt er ihr ein, wenn eine dunkle Vorahnung sie blockiere und das zu erwartende Schicksal sie zum Erzittern bringe, soll sie den Strand noch rechtzeitig verlassen. Sie sei dann wieder frei und könne sich auf den Weg nach Hause machen. Der Chor will eine klare Antwort hören, aber Leïla dreht ihre Augen zu Nadir: „Je reste. Je reste ici quand j'y devrais mourir - Ich bleibe, ich bleibe hier, auch wenn der Tod zu mir kommen wird!“ Ihr Schicksal wird sich hier erfüllen, ob es nun siegreich oder schrecklich sein wird. Ihr Leben weiht sie ihren Freunden. So soll es sein: Vor den Augen aller wird sie verschleiert bleiben und für die Fischer singen in der sternklaren Nacht. Sie gab ihr Versprechen, sie hat es geschworen!

Möge die heilige Hand des erhabenen Brahma sie vor den Geistern der Nacht beschützen und den Teufel verscheuchen. Nourabad, gefolgt von einigen Fakiren, führt Leïla nun an ihren neuen Arbeitsplatz. Gemeinsam erklimmen sie den Pfad zur Tempelruine, um innerhalb ihrer Mauern zu verschwinden. Zurga verabschiedet sich von Nadir und die Menschen zerstreuen sich. Nadir steht allein am Strand und beobachtet, wie die Sonne untergeht.

Siebte Szene:

„A cette voix quel trouble agutait tout mon être - Welche Verwirrung erfasst mein ganzes Sein bei dieser Stimme Klang?“ Nadir gesteht sich ein, die Situation verstanden zu haben, die als Vision an seinem Auge vorbeizieht. Schlimmes wird passieren, wenn er seinem Fieber nachgibt. Seine Gefühle für das Mädchen sind so stark, dass er mit dem Gedanken spielt, den Eid zu brechen, den er dem Freund einst schwor. Unbedingt möchte er das Mädchen wiedersehen. Den Pfad zum Tempel auf den Klippen hat er entdeckt, weil er ihren Fußstapfen in der Nacht gefolgt ist. Er seufzt leise und verliert sich in angenehmen Betrachtungen, sobald ihr süßer Gesang gen Himmel steigt. O Nacht des Entzückens, „divine rapture“, einmal mehr glaubt Nadir zu erkennen, wie der halb geöffneter Schleier im Wind flattert. O liebliche Erinnerung! Nadir legt sich an den Strand und schläft ein.

Achte Szene:

Im Finale des ersten Akts erlebt der Opernbesucher die Szene auf dem Felsen ganz nah. Unter dem nächtlich blauen Himmel haben Fakire ein Feuer entzündet. Nourabad bedeutet Leϊla, dass sie mit ihrem Gesang beginnen möge. Bei der Glut, die sich flammend erhebt, bei dem duftenden Rauch, der hinauf zu Brahma schwebt, soll sie nicht länger zögern, denn die Fischerchöre unten im Dorf warten bereits auf ihren Einsatz. Während die Zuhörer im Parkett der Priesterin volle Aufmerksamkeit schenken, bekommt Nadir am Strand das Ereignis nur im Halbschlaf mit. Leïla und der Chor singen entweder gleichzeitig oder wechseln miteinander ab.

„O Dieu Brahma,
O maître souverain du monde!
Blanche Siva,
Reine à la chevelure blonde!
Blanche Siva, Blanche Siva!
Esprits de l'air, esprits de l'onde,
Des Rochers, des prés et des bois!
Écoutes ma voix, écoutes ma voix“!

Brahma wird bestätigt, dass er der souveräne Meister der Welt sei und Shiva soll helle Haut und blonde Haare haben. Die Genannten sowie Geister des Wassers, der Wogen und der Felsen werden herbeizitiert, damit sie zuhören, was die Priesterin ihnen zu sagen hat.

Mit der folgenden Romanze erweckt Leïla die volle Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer

„Dans le ciel sans voiles,
Parsemé d'etoiles,
Au sein de la nuit,
Transparent et pur,
Comme dans un rêve
Penché sur la grève,
Mon regard, oui mon regard
vous suit.

À travers la nuit
Ma voix vous implore,
Mon coeur vous adore,
Mon chant léger
Comme un oiseau semble voltiger!“

Der Gesang ist wunderschön, aber inhaltlich gibt er wenig her. Keine Spannung, kein Esprit!
Götter und Geister hören sich das vielleicht ein- oder zweimal an und bleiben dann tatsächlich weg.

„Unter dem unverschleierten Himmel,
Mit Sternen bestreut
In dem Herzen der Nacht,
Transparent und pur
Wie in einem Traum
Schweift mein Blick
Über den Strand
Ja, mein Blick folgt dir.“

„Quer durch die Nacht
meine Stimme fleht zu dir
mein Herz betet dich an
und mein unbeschwerter Gesang
scheint einem Vogel gleich
zu schweben.“

Ein besseres Resultat, um bei den Außerirdischen Gehör zu finden, erzielt möglicherweise eine andere deutschsprachige freie Übersetzung der französischsprachigen Verse, ebenfalls mit Endreim, weil hier ganz konkret um Gnade ersucht wird und das „Wallen der Geister im Meer hin und her“ ein bisschen an Richard Wagner erinnert.

„Geister in der Ferne,
Strahlend goldne Sterne,
Geister tief im Meer
Wallet hin und her!
Wie im Traum
Sehe ich in Fern und Nähe
Eure Macht, ja eure Macht
Am Werk bei dunkler Nacht!
Gnade wollt gewähren!
Bitte wollt erhören!
Leicht und leise
Trägt sie in die Lüfte
Diese Weise
Leicht und leise.“

Die Fischerchöre in der Ferne ermuntern Leϊla fortzufahren:

„O singe, Holde, singe;
Und durch die Nacht erklinge
Dein Lied, so süß, so leicht,
Dass der Dämonen Schar entweicht!“

Nadir hat seinen Schlummer beendet und schaltet sich solistisch ein:

„O singe, Teure singe,
Du der ich Hilfe bringen,
Wenn Dir Gefahr und Tod
Um unserer Liebe willen droht!
Fürchte nichts! ich bin da!
Leϊla fürchte nichts!
Leϊla! Ich bin da!“

Die Logik des Handlungsfadens ist nicht mehr nachvollziehbar und die Dramaturgie bleibt auf der Strecke - dafür wird der Zuhörer aber durch die opulente Pracht der Symphonik, der Chöre und der Solistin entschädigt, wenn er beide Augen zudrückt.

2. Akt:

Neunte Szene:

Der allgegenwärtige Chor kündet, dass Dunkelheit hernieder steigt und die Nacht ihre Schleier öffnet; die hellen Sterne baden im Azur der stillen Wogen. Alle Boote haben die Küste erreicht; es wird Nacht und die Arbeit ist getan. Nourabad mahnt Leïla, dass jetzt Schlafenszeit ist. Entfernt er sich jetzt, um sie allein zu lassen, fragt sie ängstlich? Sie soll keine Furcht haben. Auf der einen Seite seien, abgeschottet durch die Brandung, unerreichbare Felsen, die steil ins Meer abfallen. Gegenüber befinden sich sorgsame Wächter - das Gewehr tragen sie geschultert und das schnelle Messer steckt im Gürtel. Die Freunde werden Wache halten, so dass ihr nichts passieren kann. Leïla zieht es jedoch vor, sich in den Schutz Brahmas zu begeben. Wenn ihr Herz rein bleibt, und wenn sie ihren Eid hält, möge sie ohne Furcht einschlafen.

Ihre Zuverlässigkeit habe sie zu früherer Zeit im Angesicht des Todes schon einmal unter Beweis gestellt! Was will sie sagen? Nun erzählt Leïla eine Geschichte aus Kindertagen. Eines Abends - Leïla erinnert sich genau - verirrte sich ein Flüchtling in ihre geringe Hütte und flehte inständig, kurzfristig verbleiben zu dürfen, weil man ihn verfolge. Sie war gerührt von seiner Bitte und wies ihm ein Versteck zu. Der Mob ließ nicht lange auf sich warten und bedrohte sie mit dem Messer. In der Gefahr behielt sie die Ruhe und wies die Verfolger in die falsche Richtung. Als Dank überreichte der Fremde ihr später eine schöne Halskette und bat, sie als Erinnerung an ihn und ihre mutige Tat in Ehren zu halten. Gewiss haben die Steine heilende Kräfte und sie soll diese bitte im Krankheitsfall bei den Dorfbewohnern freilegen, reagiert Nourabad. Sie soll sich stets erinnern, dass ein Schwur sie auch an die Dorfgemeinschaft kette! Der Dorfälteste verabschiedet sich und der Chor nimmt seinen Refrain wieder auf.

Zehnte Szene:

„Me voilà seule dans la nuit“ beginnt Leïlas Rezitativ, bevor die Verlassene in der nachfolgende Kavantine ihre Seele offen legt: In einsamer Nacht, aller Welt entrückt, befinde sie sich auf einsamer Felsenhöhe. Ihr ist bange und die Augen sind ohne Schlaf. Doch ihr Herz ahnt die Nähe des Geliebten.

„Wie einst bei nächt'ger Sterne Funkeln,
Verborgen im schweigenden Hain,
So wacht er auch heute im Dunkeln,
und ich kann ruh'n und sicher sein.
Er ist's und mein Herz hat den Frieden!
Welch ein Glück hat er mir beschieden!
Er ist mir nah, er ist mir nah!“

Zur Begleitung einer Harfe hört Leïla Nadirs Stimme aus der Ferne:

„Im Windeswehen fern muss ich stehen,
Kein Lichtlein meine Schritte lenkt;
Durchs Dunkel nächtig zieht es mich mächtig
Zu Dir, der ich mein Herz geschenkt, die meiner gedenkt.“

Im Geiste sieht Nadir den holden Augenschein, der ihm den Pfad erleuchtet. Die Geliebte - bald wird er bei ihr sein! Die Stimme kommt näher. Welche Wonne durchbebt sie! Ja, er ist es!

Elfte Szene:

Den Tod hat er gewagt, denn er überwand den grausigen Abgrund. Zwischen den Ruinen kommt Nadir hervor. Ein Gott habe ihn geführt und die Liebe gab ihm Flügel. Sein Spiel ist sehr verwegen. Er soll fliehen, denn hier droht ihm das Verderben. Die Geliebte soll ihm nicht zürnen. Doch Leïla beschwört ihn, dass er den Blick von ihr wenden soll, denn sie darf ihn nicht erhören. Das Unheil lauert hier. Doch er bittet, ihn nicht zu verstoßen. Nadir sieht die Sache gelassen. Die Nacht sei noch lang und hier könne sie niemand stören. Die Geliebte soll ihm sein Glück lassen. Leïla ist gegenteiliger Ansicht und drängt: „O! Entfliehe! Ach, Verderben lauert dir! O rette dich, entflieh' von hier!“

Nadir macht seiner Enttäuschung Luft: Ohne Lohn lässt sie seiner Liebe Bemühen, denn ihr Herz fühle nicht seine Glut. Die gleichen Worte greift Leïla auf und beteuert das Gegenteil, doch der Schwur verbiete ihr, ihn zu erhören. Im Duett klingt beider Sehnen wie aus einem Mund:

„Ich fühle deines Herzens Glut
und habe geliebt und gelitten.
Ich hab' um dich mit dem Herzen gestritten.
Ach wie gern hört' ich deine Bitten!
Wohl fühl' auch ich deines Herzens Glut!“

Zwölfte Szene:

Ein schweres Gewitter zieht auf. Nadir verschwindet, will aber in der nächsten Nacht wiederkommen. Doch dazu wird es keine Gelegenheit geben. Schüsse peitschen durch die Nacht, denn der abenteuerliche Besucher hat sich auf dem Rückweg erwischen lassen. Leïla ist der Schreck in alle Glieder gefahren, Nourabad ist zur Stelle und der Flüchtling wird von den Wachen herbeigezerrt. Der Chor lässt sich nicht lange bitten, interessiert sich aber mehr für das Unwetter als für die beiden Missetäter.

„Durch des Sturmes Ergrimmen
Klingen rufende Stimmen.
Welch finstere Botschaft bescheidet uns her?
Mit rasender Schnelle
Wirft Welle auf Welle
Brausend himmelan das Meer, das wütende Meer!
Bleich stehen wir armen
und flehen um Erbarmen,
Oh Brahma, zu dir!
Und Nacht und Tod rings um
Bedrohen uns Arme,
Uns alle, o Tod und Nacht!“

Die Angst vor dem Unwetter sitzt tief. Da die wissenschaftliche Kenntnis fehlt, sucht man die Ursachen schlechter Witterung im Verhalten launischer Götter. Eine pflichtvergessene Priesterin, die ihren Schwur bricht, kann man sich absolut nicht leisten. Im Aufruhr der Gefühle ist Lynchjustiz angesagt, um beleidigte Götter zu versöhnen!

Dreizehnte Szene:

Um die beiden Liebenden steht es schlecht, doch überraschend greift Zurga ein und pocht auf Gehorsam. Er stellt sich schützend vor die Liebenden, doch als Nourabad ihr den Schleier von Gesicht reißt, erkennt Zurga die schöne Priesterin aus Kandy wieder. Tod und Hölle wünscht er den beiden für ihre Freveltat. Für sich selbst beansprucht Nadir keine Gnade, doch das schuldlose Mädchen soll man schonen.

„Brahma, allmächtiger Gott! Bleibe bei uns in Gnaden! Strafe uns nicht für die, welche mit Schuld sich beladen. Sieh uns hier im Staub vor Dir.“ Alle Anwesenden artikulieren den gleichen Text. Brahma muss nun entscheiden, wem er helfen soll: den Liebenden oder den Perlenfischern. Wird er es beiden recht machen können?

3. Akt:

Vierzehnte Szene:

So wie der Sturm sich gelegt hat, beruhigt sich auch Zurgas Ärger. Das Oberhaupt der Perlenfischer liegt in seinem Zelt und versucht vergeblich zu schlafen. Fieber schüttelt ihn und Zurga hat nur den Gedanken, dass Nadir bei Sonnenaufgang hingerichtet wird. Die Erinnerung an frühere Zeiten holt ihn ein. „O Nadir, tendre ami de mon jeun âge - O Nadir, lieber Jugendfreund“, wie konnte es passieren, dass blinder Ärger sein Herz in Besitz nehmen konnte? Nun hat er ihn dem Tod ausgeliefert, bittere Reue quält ihn, aber er sucht die Schuld bei sich selbst. Leïla soll ihm seinen voreiligen Entschluss vergeben. Hilflos steht er nun vor seinen Gefühlen, die ihn überwältigen. Den Ausbruch eines verärgerten Herzens sollen sie entschuldigen. Plötzlich steht Leïla in Begleitung zweier Fischer, die sie mit dem Messer bedrohen, am Eingang seines Zeltes.

Fünfzehnte bis siebzehnte Szene:

Leïla möchte ihn allein sprechen. Sie vermutet, dass er die Macht hat, zumindest seinen Jugendfreund zu retten und beteuert, dass es kein ersonnener Plan war, ihn im Tempel zu erwarten. Nur der Zufall hat sie wieder zusammengeführt. Sie nimmt alle Schuld auf sich und Zurga findet es schrecklich, dass eine solche Schönheit - durch Tränen noch verklärt - nun ein Raub des Todes werden soll. Sie wirft sich ihm zu Füßen und bittet, dass er sich mit ihrem Tod zufrieden geben und Nadir laufen lassen soll. Doch Zurga hat mit dem Verzeihen nun ein Problem, denn ihr inständiges Bitten zeigt ihm, dass sie den Rivalen tatsächlich liebt. Sollte Zurga sich nicht erweichen lassen, werde sie dem Tod mutig ins Auge sehen. Ihrer beider Blut und Leben soll er nehmen, aber er wird sehen, dass die Reue, wenn es zu spät ist, ihn quälen wird. Zurga wird wütend: Der Tod sei ihr Los. Die Hinrichtung soll geschehen, weil ein grimmiger Hass in ihm brennt. Ihr Flehen ergreift ihn nicht mehr. In Revanche wird er von der Priesterin verflucht. Nourabad kommt hinzu und fordert Leïla auf, ihn zur Hinrichtungsstätte zu begleiten. „Vernimm von fern des Festes Klänge. Es naht die Stunde. Ihr Opfer will die Menge!“ Leïla gibt Zurga die Kette zurück, die er ihr einst schenkte, und bittet, nach ihrem Tod das Schmuckstück an die Mutter weiterzuleiten.

SZENENWECHSEL

Achtzehnte bis zwanzigste Szene:

„Bald wird aus der Flut
mit strahlender Glut
die Sonne entsteigen!
Dann fließet ihr Blut
den zürnende Mut
der Götter zu beugen.
Dann soll der Tod
die Verruchten erreichen.“

Im Klartext heißt es, dass die beiden Frevler den Feuertod sterben sollen. Man befindet sich auf einer Waldlichtung. Ein Scheiterhaufen ist errichtet, die Männer sitzen im Kreis und sprechen dem Palmwein zu, damit heiliger Rausch ihre Adern erfülle. Brahma soll vernehmen, dass das Blut der Verräter bald fließen wird. Nadir hat nur den einen Gedanken, wie er die Wut der Menge einzig auf sich konzentrieren kann. Immerhin gönnt der Pöbel den beiden noch ein kurzes Liebesduett:“ Ah! Je vais mourir heureux (heureuse) à tes côtes! O lumière sainte...“ Ohne Klage ist man zum Tod bereit, weil man hofft, in einem schöneren Land Liebe und ungetrübtes Glück wiederzufinden. Goldene Wolken ziehen voraus und die Seele folgt ihnen nach.

Das Finale bringt die Wende. Zurga hat sich anders besonnen und im Fischerdorf Brand gelegt. Die Menschen vergessen die beiden Verurteilten und eilen fort, um ihre Habe zu retten. Zurga löst mit einem Beilhieb die Ketten der Liebenden und rät ihnen, schleunigst zu verschwinden. Er zeigt Leïla die Kette, die sie ihm zurückgegeben hatte, und verweist auf seine Dankbarkeit, die er ihr noch schulde. Alle Not entflieht, neues Leben blüht!


Letzte Änderung am 16.2.2010
Beitrag von Engelbert Hellen