Vilém Blodek (1834-1874):

V studni

deutsch Im Brunnen / englisch In the Well

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1866-67
Uraufführung: 17. November 1867 in Prag (Provisorisches Nationaltheater)
Besetzung: Soli (SATB), Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Erstdruck: Prag: E. Starý, 1867
Verlag: Leipzig: Weinberger, um 1900
Bemerkung: Vilém Blodek ist das zeitliche Bindeglied zwischen Smetana und Dvořák. Vollendet hat er allerdings nur die Oper „V studni“ („Im Brunnen“). Als Librettisten konnte er Karel Sabina gewinnen, der auch in Smetanas „Die Verkaufte Braut“ für den Text verantwortlich zeichnete. Als Vorlage benutzte dieser die Volkssage vom „Zauberbrunnen“ des slowenischen Dichters Jan V. Valvasor. Mit fast 500 Vorstellungen, die der Uraufführung folgten, war die Oper „V studni“ zu Lebzeiten des Komponisten sehr erfolgreich.

Zur Oper

Art: Komische Oper in einem Akt
Libretto: Karel Sabina
Sprache: tschechisch
Ort: Böhmen
Zeit: 19. Jahrhundert

Personen der Handlung

Lidunka: ein hübsches junges Mädchen (Sopran)
Vojtěch: ihr Liebster (Tenor)
Janek: ein alter Witwer (Bass)
Veruna: eine alte Frau, als Hexe betitelt (Alt)
Weitere: Dorfbewohner

Handlung

1. Szene:

Veruna sitzt vor ihrem Häuschen auf der Bank. Ein dicht belaubter Baum lässt ein paar Blätter in den Brunnen fallen.

„Ei, schlimm ist die Zeit, die heutige Zeit
und Schlimmes wird sie bringen.
Die wilde Jugend heutzutag,
die führt ein wüstes Leben.
Einst haben alle mich genannt
Veruna - die Schöne.
Jetzt nennen sie mich Veruna,
die alte Hexe!
Heute ist Walpurgisnacht,
da werden sie mich wieder fragen kommen.
Nun, so will ich, wenn sie es so wollen,
mit Hexenzauber dienen.“

2. Szene:

Lidunka, das schönste Mädchen im Dorf, kommt zögernd näher und möchte sich Rat holen. Veruna soll ihr einen Liebsten herbeizaubern. Eine kleine Aufwandsentschädigung, etwas Butter und ein paar Hühnereier, hat sie gleich mitgebracht. Wieso soll sie zaubern können? Steht sie etwa mit dem Teufel im Bunde? Schau sich einer diese dreiste Dirn an! Da hört der Spaß aber auf, mein liebes Mädel, wo der Teufel seine Hörner zeigt.

Lidunka entschuldigt sich sogleich, sie glaubt selbst nicht, dass sie eine Hexe sei, aber sie denkt, dass sie mehr weiß als die anderen. Man erzählt sich im Dorf, dass jeder, der sich mit Veruna berät, von allem Übel befreit wird. Nein, nein, Lidunka, mit dem Teufel hat sie nichts am Hütchen. Diejenigen, die Gegenteiliges behaupten, haben sie schön hereingelegt. Lidunka fährt fort, dass man sich vor ihr erzählt, dass sie in den Sternen forscht und in alten Büchern liest. In der Kräuterkunde kenne sie sich aus und in die Zukunft kann sie schauen. Deswegen wendet sie sich an sie und bittet um ihre Hilfe.

Sonst kennt sie die alte Veruna nicht, nur in der Not kommt sie gelaufen. Nun, sie soll sprechen: Was geht ihr im Kopf herum? Sie hat einen Liebsten im Dorf, jung und schön. Veruna höhnt zurück und plappert ihren Satz nach. Lidunka wünscht sich von ganzem Herzen, ihn zum Mann zu bekommen. Doch sie muss wissen, dass ein alter Witwer ihr nachsteigt. Ein alter Witwer steigt ihr nach, wiederholt Veruna spöttisch. Beide stimmen überein, dass junge Liebe ein Paradies voller Seligkeit ist, doch sie welkt in einem alten Herzen und die Flamme erlischt. In ihrem Fall ist leicht Abhilfe zu schaffen, den Jungen soll sie nehmen und den Alten fortjagen. Doch die Mutter rät ihr zum Witwer. Die alte Dame hält sich an ihren Instinkt, ihrem Rat soll sie nicht folgen.

3. Szene:

Im Hintergrund tauchen Janek von der einen Seite und Vojtěch von der anderen Seite auf. Veruna soll der Bittstellerin nun sagen, welchem es bestimmt ist, ihr Mann zu werden. Ist es der, den sie liebt, oder der, den sie nicht mag? Aber sie kennt doch keinen von beiden!

Lidunka verweist auf die Walpurgisnacht: Denen, die zu fragen wissen, wird einiges klar, und solchen, welche geheime Zeichen verstehen, ebenfalls. Das Mädchen hat recht und die weise Frau gibt ihr einen Rat, den sie sich gut merken soll. Heute wird der Vollmond über die Wälder steigen. Dann soll sie herkommen und unterwegs immerzu rufen „Mein Liebster, wo bist Du?“ Anschließend rennt sie vertrauensvoll zum Zauberbrunnen und soll in die Schicksalstiefe schauen.

Vojtěch und Janek haben die Worte ebenfalls in ihrem Versteck gehört und werden auch zur Stelle sein und aufmerksam in die Schicksalstiefe blicken.

Veruna wendet sich an Lidunka: „Wen die dunkle Zukunft für dich bereit hält, dessen Antlitz wird dir der klare Wasserspiegel zeigen!“ Auch die Angesprochene und die beiden Freier wiederholen jeder für sich ihre Worte. Lidunka bedankt sich bei der gütigen Veruna und verspricht, sogleich herzueilen, um zu berichten, wessen Gesicht sie gesehen hat.

Die Abendröte erstrahlt über den Bergen und sie Sonne verbirgt ihren Glanz. Bis es stille wird in den Dörfern und die Sterne flimmern, wird Lidunka ihr Glück versuchen, doch jetzt muss sie heimgehen.

4. Szene:

Vojtěch hat sich gemerkt, dass sein Mädchen im Brunnen das Gesicht von demjenigen sehen wird, den sie zum Mann haben wird. Er wird Veruna ebenfalls um Rat fragen. Vielleicht kann sie ihm helfen. Es wäre doch schrecklich, wenn ihr Auge einen anderen erblickte! Sie würde sich zu Tode grämen und sein Herz würde brechen. Er geht in Verunas Häuschen, um sich Rat geben zu lassen.

5. Szene:

Hei, das wird ein toller Jux sein! Die dummen Hexereien sind doch lauter Quatsch. Warte nur, meine liebe Lidunka, Du hast heute guten Rat bekommen. Ha, ha, ha! Er wird auf den Baum steigen und sein Gesicht dem Mondschein entgegenhalten. Im Wasser wird dann Lidunka das Spiegelbild ihres künftigen Gatten, nämlich ihres Janek erblicken! Hei, das wird ein Jux sein!

6. und 7. Szene:

Der Mond steigt auf.

INTERMMEZZO

Die Burschen wollen das Johannisfeuer anzünden, damit es über den Bergen hell leuchtet. Wenn die Hexen durch die Lüfte fliegen, sollen sie beim Segeln und Wenden die Orientierung nicht verlieren. Die Burschen raten den Mädchen, sich an ihre Seite zu halten, denn Hexen muss man fürchten. Wie zu Zeiten ihrer Ahnen wollen sie riesengroße Feuer anzünden, so wie die alten Tschechen es taten bei ihren heidnischen Festen.

8. und 9. Szene:

Janek will sich nicht anschließen, sollen die anderen doch ihren Feuerzauber treiben bis der Himmel rot erglüht. Er wird auf den Baum klettern und nur an Lidunka denken. Beleuchten wird ihn allein der Mondschein und im Brunnen spiegelt sich sein Angesicht. Hoffentlich geht die Sache nicht schief!

Aber Vojtěch hat die gleiche Idee. Die goldige Veruna, aller Hexen Königin, hat ihn mit ihrem guten Rat hoch aufs Pferd gesetzt. Er sollte sich besser auf einen Ast setzen und in den Brunnen hinunter schauen bis der Mond in vollem Glanz sein Gesicht beleuchtet. Dann kommt Lidunka, schaut in den Brunnen und wird ihren Vojtěch erblicken. So stellt der Verschmitzte sich das vor.

Der Teufel hat ihn hergeschickt! Janek, der schon im Baum sitzt, ist ratlos und überlegt, was er nun anfangen soll. Am liebsten würde er den Nebenbuhler in den Brunnen werfen.

Nun wird Vojtěch sein Glück versuchen und die liebe Lidunka soll nur gut hinschauen. Janek muss ausweichen und steigt noch einen Ast höher. Der Ast ist zu dünn, hält dem Körpergewicht nicht stand und Janek plumpst in den Brunnen. Lidunka hat das Geräusch gehört und kommt aus dem Hintergrund hervor.

Vojtěch muss sich beeilen, seine Visage günstig zu platzieren und klettert auf den untersten Ast. Der Schein des Johannisfeuers leuchtet rot auf und rückt ihn ins rechte Licht. Lidunka schaut vom Rand in den Brunnen und wartet.

10. Szene:

Die Johannisfeuer brennen und die Hexen fliegen in der Luft umher. Junge Herzen gehen einander im Licht der Flammen entgegen.

„So wie Feuer auf den Bergen
rote Flammen werfen,
so fliegt meine Sehnsucht
Dir entgegen, mein Liebster.
Ich rufe in Wald und Forst:
mein Liebster, wo bist Du?“

Lange hat Lidunka schon auf diese Stunde gewartet. Doch jetzt hat sie Angst, in die Tiefe zu sehen. Ob sie ihn dort bei dem hellen Mondlicht ausmachen kann? Werden ihre Augen seinem lieben Gesicht begegnen?

Sie blickt in den Brunnen und springt plötzlich entsetzt zurück. Welch unheilvolles Bild? Welch ein furchtbarer Anblick? Wessen Antlitz muss die sehen? Es ist Janek. Nein, nein! Davon will sie nichts wissen! Der Tod wäre ihr lieber.

Vojtěch sitzt noch im Baum. Was soll das heißen? Die Treulose mag ihn wohl nicht mehr.

11. Szene:

Der Chor der Mädchen ist in Stimmung:

“Die Johannisfeuer brennen und beleuchten uns das Wasser,
eine jede sieht im Brunnen das Bild ihres Zukünftigen.
Lasst uns hingehen und sehen, was der Brunnen uns enthüllt.
Jede hat wohl einen Liebsten, den sie still im Herzen trägt.“

Lidunka tritt hervor und warnt: Die Gespielinnen sollen nicht hingehen. Als sie hineinblickte, ist sie dabei schlecht weggekommen, den alten Janek sah sie dort. Das sei zum Lachen! Sie wollen sehen, ob sie das alte Kamel auch dort sehen werden? Alle laufen zum Brunnen, als Janek mit Schlamm bedeckt gerade heraus kriecht. Die Mädchen halten ihn für den Teufel. Ja, der Teufel in Person sei er, wenn er das Weibervolk nur holen könnte, würde er alle am Spieß braten. Ach, wie kam Janek denn in den Brunnen, er ist doch umzäunt? Heute haben die Hexen das Wort. Vielleicht hat Veruna ihre Hände im Spiel?

Vojtěch begreift jetzt Lidunkas großen Schreck. Verwirrt hat den Janek die Hexenkunst. Oder er hat allzu tief in den Krug geschaut. Die dummen Mädels sollen sich sagen lassen, das Janek noch nie betrunken war! Aber im Brunnen muss es doch kalt gewesen sein! Vojtěch ahnt den Zusammenhang, ein Ast brach im Baum und dann sei er in den Brunnen geplumpst. Der Teufel soll alle holen! Lidunka befindet sich mit Vojtěch wieder im Einklang. Ihre Augenpaare seien wie Zauberbrunnen, die sie nie enttäuschen werden, denn jeder wird in des anderen Augen für ewig seine Seele sehen.


Letzte Änderung am 21.9.2015
Beitrag von Engelbert Hellen