Alfredo Catalani (1854-1893):

La Falce

deutsch Die Sichel / englisch The Sickle

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1875
Uraufführung: 19. Juli 1875 in Mailand (Konservatorium)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Erstdruck: Mailand: Ricordi, s.a

Zur Oper

Art: Dialog in sechs Szenen und einem instrumentalen Prolog
Libretto: Arrigo Boito
Sprache: italienisch
Ort: das Schlachtfeld von Bedra (in der Nähe von Mekka)
Zeit: 624 (im zweiten Jahr nach der Hedschra)

Personen der Handlung

Zohra: (Mezzosopran)
Seid: (Tenor)

Handlung

Prolog:

Das eigentliche Handlungsgeschehen ist in den Symphonischen Prolog eingebettet:

Der Morgen erwacht
Die Karawane der Ungläubigen nähert sich
Anrufung Allahs
Mohammeds Leute greifen an
Kriegshymne der Ungläubigen
Die Schlacht wütet
Die Waffen schlagen aufeinander, Pfeile fliegen durch die Luft
Die Kriegshymnen der beiden Parteien wetteifern gegeneinander
Die Hymne Mohammeds gewinnt die Oberhand
Eine Legion von Engeln steigt vom Himmel herab und unterstützt die Angreifer
Der heulende Wüstenwind treibt die Ungläubigen in die Flucht
Trauer nach der Schlacht

Der nachfolgende Dialog, der Inhalt der Oper, ist als Abschluss des Handlungsgeschehens und als Epilog zu verstehen - zugegebenermaßen ein eigenwilliges unübliches Konzept für ein Musikdrama.

1. Akt:

Nachdem der ausgedehnte Prolog, der einer eigenständigen Symphonischen Dichtung gleicht, verklungen ist, öffnet sich der Vorhang und zeigt die öde Landschaft der arabischen Wüste. Langsam nähert sich eine Gestalt in historisch gekleideter Tracht. Später erfährt das Publikum, dass die junge Frau sich Zohra nennt und Furchtbares durchgemacht hat. Das Musikdrama beginnt mit ihrer herzzerreißenden Klage.

Sie sind alle tot! Zohra verscharrte sie in dem flimmernden Sand zwischen den Palmen. Drei Brüder und der Vater wurden ihr genommen. O Schlachtengetümmel! O Trauer! Die blutigen Körper haben sich ihrem Gemüt eingeprägt. „Campo di Bedra, addio.“ Geheiligte Stätte der früheren Jahre, lebe wohl! Nun offenbart sich der Ort als gewaltiges schreckliches Tal - Wüste und Beinhaus in Kombination! Gewaltiger Donner eines furchtbaren Geschehens! Verzweifelt bietet Zohra dem Schicksal auch ihren eigenen Kopf an. Der Tod soll zu ihr kommen und sie nicht vergessen! Alle Verwandten waren einst fröhlich und lebendig. Die wärmende beschützende Atmosphäre, wie nur ein Vogelnest sie zu bieten hat, umgab ihr Leben zu jener Zeit. Liebendes vertrautes Geschrei schüttelte die Träume der Herzen.

„O Erinnerung! Bleiche Geister verflossener Tage! Komm Tod! Vergiss mich nicht.“ Zohra legt sich platt auf die Begräbnisstätte und breitet ihre Arme aus. „Hier ist mein Gesicht! Ich verhalte mich ruhig. Über mich lege einen Schleier!“ Der Aufruhr weicht einer süßen Resignation. Für immer wird ihr Körper in stillem Frieden auf dem Grab liegen. „Todesengel, steige herab und nimm eine Unglückliche zu dir. Beeile dich, Tod! Vergiss mich nicht!“

Nach dem dritten Aufruf beobachten Zohra, wie ein Mann mit einer Sichel in der Hand zögernd näher kommt. Zohra richtet sich auf und redet den Fremden an „Bist du es? Stoße mich nieder!“ Dreimal habe sie nach ihm gerufen. Sie erkennt ihn wieder an seiner hakenförmigen schwarzen Sense. Ihre schwermütige Seele soll er niedermähen. Weshalb schaut er sie so ruhig und schweigend an? Ist er ebenfalls verzweifelt? Sein Arm bleibt schwach. So oft hat er heute schon gemäht?

„Friede“ ist das einzige Wort, welches er zu ihr sagt.

Zohra entrüstet sich. Er spricht von Frieden und benutzt dieses erhabene Wort. Oh, unheilbringender Mann, in einem Land, in dem die Luft noch das Echo der furchtbar tobenden kriegerischen Auseinandersetzung fortträgt, spricht er von Frieden. Eine blutige Vision hält Zohra gefangen. Die Schlacht tobt und sie sieht die verschlungenen blutenden Leiber herumliegen. Pfeile fliegen durch die Luft, sie hört das zischende Geräusch. Die Männer fallen als Helden, einer nach dem anderen. „Friede, Friede, gestatte mir Ruhe und Schlaf, wenn du es vermagst.“

„Du weißt also, wer ich bin?“

Sie weiß es! Er ist der Todesengel. Der kampfesstarke unbesiegbare Azrael bevölkert die ewigen Gründe mit den Schatten von toten Geistern. Vom Himmel wirft er seine Sichel auf das fanatische und erregte Volk. Sein Gesicht ist ein Stern des Zorns. Schön, herrlich und unerbittlich! Er lasse das Blut tropfen, verursache Aufruhr und Albträume, er bade in Terror. Diese Attribute ziehen sie zu ihm hin wie eine gigantische verzückte Verzauberung. Sie spürt den Abgrund ihres Schicksals, weiß aber nicht, ob es Furcht oder Liebe ist, welche die Annäherung verursache. Zohra fällt zu Füßen des Schnitters nieder.

Der Angesprochene reagiert mit Worten außerordentlicher Süße. Das liebe Mädchen soll aufstehen, die Angst aus ihrer Seele verbannen und in sein Gesicht schauen! Ah, sein kurzer Blick genüge, um ihr Herz zu foltern. Es fühlt bereits die Ekstase der Pein. Seine Arbeit soll er vollbringen und sie dann entführen. Was soll sie auf der Erde machen? Des Vaters und der Brüder ist sie beraubt und unendlich allein. Dann bricht es aus Zohra heraus: Sie liebe nur ihn, den Todesengel. Das angestrebte Schicksal möge er begleiten mit seinem Abschiedskuss, der Liebe und Tod bedeutet.

Der Schnitter küsst ihre Stirn und klärt die Verzweifelte über seine Identität auf. Sie möge ruhig sein, lieben und leben. Sie habe ihn aufgeschnappt aus seiner verzückten Unbekümmertheit. Den erbetenen Kuss will er ihr gern gewähren, aber er sei nicht der Engel, von dem sie träume. Er sei ein trauriger Mann und komme von den Feldern. Liebe und Tod, nach denen sie fragt, habe er nicht im Angebot. Er biete ihr Leben und Liebe.

Zohra ist hoch erfreut, dass das fremde Wesen zu ihr spricht. Wie eine magische Brise kommt es von seinen Worten, sein prickelnder Kuss brennt sie wie ein Mal. Sie fühlt sich durchdrungen von der Ekstase der friedvollen Klarheit und süß schlägt das Herz. Nein, niemals konnte es der Kuss eines Sterblichen gewesen sein, der solches Entzücken bei ihr auslöste. Er hintergeht und belügt sie, indem er behaupte, nicht Azrael zu sein.

Sein Name sei Seid und die müde Träumerin soll ihm jetzt ihren Namen nennen. Sie folgt seiner Aufforderung, fragt aber dann sogleich, weshalb er eine grauenvolle Sichel in der Hand halte, wenn er der Todesengel nicht sei.

In seiner Hand halte er die friedvolle Sichel der Felder, um die goldene Ernte einzubringen. Sie mäht das wallende Korn, den Hafer und das Gras, den Farn und die Blumen. Sie mäht das goldene Korn auf den Feldern, welches prächtig in der Sonne scheint. Sie gleitet surrend durch das Gras wie der Flügel einer Schwalbe, die den Grund absucht. Er spricht von dem irdischen Bild einer Sichel, als Kontrast sehe sie die einsame Sichel des Mondes am Himmel.

Seid schwört bei Allah, bei der Poesie des Korans, bei dem Keuchen der Pferde, dem lieblichen Zebra und der agilen Gazelle. Er schwört bei dem mysteriösen schwarzen Stein der Kaaba und dem Glauben, den sein Herz erfüllt, dass er sie liebe mit seiner Liebe und die Sichel, die solche fatalen Missverständnisse hervorrufe, nimmermehr berühren werde.

Mit einem Schrei der Leidenschaft rennt Zohra auf Seid zu. Dieser stellt fest, dass Gott den verwelkten Zweig der Rose wieder zum Blühen gebracht und ihr Leben neu in die Hand genommen hat.

Gemeinsam wird man die Reise zu neuen Ufern antreten und den höchsten Hafen ansteuern. Neue Welten tun sich auf. Die scheinende Sonne und die bleiche Sichel des Mondes werden sie auf ihrer Wanderschaft durch die endlose Wüste begleiten.

Seid sagt, dass sie losmarschieren wollen, denn der offene Himmel lade sie ein. Eingehüllt in den gleichen Mantel, starten sie gemeinsam die Reise in eine unbekannte Zukunft.

Aus der Ferne nähert sich eine Karawane. Die Männer singen, dass der Krieg nun zu Ende und Friede auf der Erde, auf dem Meer und im Himmel sei. Allah möge die Karawane beschützen, denn das heimatliche Feuer liegt jenseits des Horizonts.


Letzte Änderung am 10.11.2008
Beitrag von Engelbert Hellen