Giovanni Pacini (1796-1867):

Maria regina d'Inghilterra

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1843
Uraufführung: 11. Februar 1843 in Palermo (Teatro Carolino)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 170 Minuten
Erstdruck: Mailand: F. Lucca, 1843 ?
Bemerkung: In der letzten Dekade des achtzehnten Jahrhunderts haben in Italien eine ganze Reihe von Opernkomponisten das Licht er Welt erblickt. Zu den bekanntesten gehören Rossini, Donizetti und Mercadante. Zu ihnen muss man auch den Sizilianer Giovanni Pacini rechnen. Seine Themen bewegten sich im gleichen Personenkreis, man duplizierte sich gegenseitig und macht Anleihen bei sich selbst. Fleißig war Pacini auch. Bedeutsam ist seine Oper – genau so könnte man aber auch sagen, es sei eine von vielen – über die Tudor-Königin, nach welcher der Drink „Bloody Mary“ benannt wurde. Sie teilt das Schicksal ihrer Stiefschwester Elisabeth, in der Liebe von ihren Günstlingen verraten zu werden. Rache ist süß – unter dramatischen Umständen ließen die Betrüger ihr Leben unter dem Beil des Henkers. Eine Alternative zu „Maria, Regina d’Inghilterra“ ergibt sich bei Donizetti in der Oper „Roberto Devereux“.

Zur Oper

Art: Lyrische Tragödie in drei Akten
Libretto: Leopoldo Tarantini nach dem Drama von Victor Hugo
Sprache: italienisch
Ort: London
Zeit: 16. Jahrhundert

Personen der Handlung

Mary Tudor: Queen of England
Riccardo Fenimoore: schottischer Edler
Ernesto Malcolm: ein Bürgerlicher
Clotilde Talbot: glaubt eine Waise zu sein, verlobt mit Ernesto
Gualtiero Churchill: Lordkanzler von England
Raoul: Leutnant im Tower
Weitere: Wachen, Volk

Handlung

1. Akt:

Erste Szene

Im England der Tudorzeit verstand man zu feiern. Die Themse war für das gemeine Volk der bevorzugte Aufenthaltsort, um Lebensfreude in vollen Zügen zu genießen. Illuminierte Bote fahren den Strom im Pendelverkehr herauf und hinunter. Die Stadt jenseits des Flusses ist erleuchtet, als wolle sie zu einem Festival einladen. Der Ruderchor behauptet, dass der Mond noch nie so schön geschienen habe. Er wirkt auf sie wie von einem Maler auf einen Bühnenprospekt hingezaubert. London ist eingewickelt in einen phosphoreszierenden Schleier. Die Männer hinter den Rudern sollen ihr Gewicht verlagern und Tempo vorlegen. Myriaden von Fackeln bringen Brillanz in die dunkle Nacht, dass der karge Sternenhimmel sich schämen sollte. Ein entzückendes Land, in dem Queen Mary regiert. Eine Freude folgt auf die andere. Rudere Seemann, rudere!

An einer einsamen Stelle am Flussufer steigen Männer in Kapuzenmäntel gehüllt aus dem Boot. Ihr Interesse gilt einem rustikalen Landhaus, alle Fenster sind geschossen. Bevor der neue Tag anbricht, wird das Geheimnis für ihn klar sein. Der Angeredete ist Gualtiero, der Lordkanzler von England. Das Gespräch dreht sich um eine geheimnisumwitterte Frau, die sich im Cottage aufhält, aber im Moment durch Abwesenheit glänzt. Wer ist der Mann, der sie vor allen neugierigen Augen hinter dieser Tür verbirgt? Wenn es Nacht wird, kommt oft ein Unbekannter mit einem Boot vom Fluss her, um das Haus zu betreten. Nun hat er ihn gefangen, frohlockt der Lordkanzler. Die Königin hat bereits Verdacht geschöpft. Seine Macht, die er einst höhnte, wird nun den Beweis erbringen, die seinen Untergang bedeutet. Die Männer bezweifeln, dass es ihm gelingen werde, den Emporkömmling zu stürzen, denn er genießt die Liebe der Königin und die Gunst des Hofes. Wenn die Beweise der Königin vorgelegt sind, werden es die letzten Tage seines Lebens sein, und der Verräter muss das gefürchtete Gerüst besteigen. Die Männer sollen still sein, ein Boot hat angelegt, ihre Anwesenheit soll unbekannt bleiben. Die Kapuzenmäntel ziehen sich ins Dickicht zurück.

Zweite Szene

Weshalb ist seine Clotilde traurig? Seit einigen Tagen zeigt sich ihr Lächeln nicht mehr. Dieses Lächeln ist Ernestos einziger Segen auf Erden. Hier ist ihr Heim, welches er ihr gegeben, nachdem er die Waise in seine Obhut genommen hat. Das Boot, welches beide hergebracht hat, ist wieder im Lichtermeer untergetaucht. Sie soll ihm erzählen, was sie durcheinander brachte. Morgen ist ihr Hochzeitstag. Kann es sein, dass sie ihn nicht mehr liebt? Nein, Clotilde weiß, was sie ihm schuldet. Ihr Leben würde sie für ihn geben, um ein wenig zurückzugeben für die Güte, die er ihr erwiesen hat. Sie ist ihm nichts schuldig. Das einzige, was er sich vor ihr wünscht, ist, von ihr geliebt zu werden. Clotilde ist bemüht, dem Gespräch einen Hauch von Zuneigung aufzusetzen. Sie wird ihm gehören, verspricht sie. O süße Worte! Sie ist alles, was sein Herz braucht, um glücklich zu sein. Sonst erbittet er vom Himmel nichts, er braucht nur sie allein. Getrennt von ihr hält ihn nichts auf dieser Erde.

Clotilde ist unglücklich und macht sich Vorwürfe. Mir seinen Worten reißt er ihr Herz in Fetzen. Für eine andere Liebe hat sie ihre leidenschaftlichen Gefühle verraten. Diesen Dank gab sie ihm für seine unerschütterliche Ergebenheit. Kein bösartigeres Herz gibt es auf dieser Erde und meint sich selbst. Er hat einen Brief, sagt er, und muss gleich wieder weg. Ein edler Lord habe ihn in die City bestellt. Dem Wunsch hat er zu folgen, bevor der Tag anbricht. Clotilde ist erleichtert und kann ihre Freude kaum unterdrücken.

Aber sein Herz wird hier bei ihr bleiben. Ihre Tränen soll sie trocknen und ihr Herz der Freude öffnen. Morgen wird immerwährende Verpflichtung beide Herzen zusammenfügen. Von der aufrichtigen Seele wünscht er nichts als ihre Liebe, damit sein Leben eine Ekstase der Freude wird. Der Altar der Liebe wird das Pochen ihres Herzens zur Ruhe bringen, und eine freundliche Macht, stärker als sie selbst, wird vom Himmel herabsteigen, um die irre Flamme in ihr zum Erlöschen bringen. Beide bewegen sich zum Cottage. Sie tritt ein und schließt die Tür.

Dritte Szene

Ernesto wartet auf das Boot, das ihn in die Stadt bringt. Morgen wird er glücklich sein, denkt er, aber da ist eine innere Stimme, die alles in Zweifel zieht. Könnte es möglich sein, dass Clotildes Tränen falsch sind und sie ihn betrügt? Aber nein, Clotilde soll ihm wegen des unwürdigen Verdachts vergeben. Als Waise hat er sie in sein Haus genommen und ihr Leben gelenkt. Sie ist unfähig, ihn zu verraten. Für immer wird er glücklich sein mit ihrer Liebe.

Vierte Szene

Plötzlich erscheint Gualtiero und fordert ihn auf zu verweilen. Ernesto ist erschrocken, dass jemand das Versteck entdeckt hat, wo er das schöne Waisenkind unter Verschluss hält. Wer ist der Unbekannte? „Jemand, der über ihn wacht“, erhält er zur Antwort. Er hat einen Rat für ihn. Er soll nicht weit weg gehen von diesem Flecken und gut aufpassen, was geschehen wird. Schon ist der Fremde wieder verschwunden, ohne sein geheimnisvolles Verhalten zu erklären.

Fünfte Szene

Vom Fluss her hört man von fern her plötzlich ein Liebeslied erklingen: Wenn du in des Abends Schatten an meiner Seite sitzest, wenn du deine Lippen öffnest, um von den herrlichen Blumen des Frühlings zu singen, trägst du mich fort zu dem Zauber der Liebe unserer ersten Tage. Ah, fahre fort, Liebste, fahre fort mit deinem Lied. Singe meine Schöne, singe immerzu, wenn du zu mir von Liebe sprichst! Mit Seufzern und Blicken will ich bereitwillig antworten. Mein Herz scheint wiedergeboren zu sein. Der Himmel öffnet sich. Dein Blick hat eine Pracht, größer als die eines Sternes. Liebe mich für immer, lautet die Aufforderung. Ah, liebe mich für immer, denn die Liebe ist die Freude des Lebens!

Während des Gesangs öffnet sich ein Fenster des Hauses zuerst einen Spalt und dann Stückchen für Stückchen ein bisschen weiter. Riccardo Fenimoore entsteigt dem Boot, seine einfache Kleidung verrät seine edle Abkunft nicht. Der Ankömmling sieht das erleuchtete Fenster. Sie erwartet ihn zur Freude. Jetzt ist sein Vergnügen komplett. Er erreicht die Tür, klatscht in die Hände und ruft: „Clotilde, meine Liebste!“

Ernesto kommt aus der Richtung, in die er gegangen war. In diesem Moment öffnet sich das Fenster, um dann abrupt wieder geschlossen zu werden. Riccardo steht abwartend an der Tür. Hat sie ihn nicht gehört? Ernesto hat sich dem Unbekannten genähert. Wer mag er wohl sein? Ein wildfremder Mann vor seinem Hauseingang! Welcher Teufel hat ihn hergesandt. Er soll sagen, welches Geschäft er hier zu verrichten hat, den Namen nennen oder er verliert das Leben! Glaubt er wirklich, dass er eine Antwort bekommt, wenn er einfach so leicht daherfragt? Der Narr soll mit seinem Geschwätz aufhören und ihm aus dem Weg gehen. Was hat er vor? Wohin führt ihm sein Schritt? Nun, das sieht er doch. Er will in das Haus gehen. Mit welchem Recht? Mit dem Recht der Liebe. Ernesto soll es nicht wagen, sich zwischen ihn und sein Vergnügen zu stellen.

Ernesto ist verwirrt von Fenimoors Worten. Himmel, was hat er da gehört! Kann es die Wahrheit sein? Kann Clotilde so falsch agieren? Was ist, wenn er lügt? Abscheuliche Zweifel füllen sein Herz. Auch Fenimoore schüttelt den Kopf. Niemals hätte er geglaubt, auf Erden einen Rivalen zu haben - schon gar nicht einen Mann dieser Gesellschaftsklasse. Gegen ihn dürfte der Narr keine wirkliche Chance haben. Auf beiden Seiten schnellt der Ärger in die Höhe. Ernesto fordert den anderen nochmals auf zu verschwinden. Dieser gibt sich ebenso verächtlich wie großzügig und zeigt ihm einen Brief, um seine Anwesenheit zu legitimieren. Eine wilde Hand greift zu Ernestos Herz. Es ist tatsächlich Clotildes Handschrift. Riccardo liest in seinen Gesichtszügen und setzt ein spöttisches Lächeln auf. Nun weiß er, dass er nicht lügt. Er gibt ihm herablassend einen Beutel Gold und sagt: Nimm dies und hau ab! Ernesto verliert die Kontrolle über sich und will sich auf den Rivalen stürzen. Doch dieser zieht blitzschnell seinen Degen und zielt mit der Spitze auf seine Brust. Der Elende soll Distanz halten. Beide haben im Dunkeln nicht bemerkt, dass aus Ernestos Gürtel ein Dolch zu Boden gefallen ist. Ernesto sieht sich unbewaffnet, verspürt aber einen brennenden Durst nach Rache. Er möchte das Herz aus der Brust des Rivalen reißen. Einstweilen soll der Himmel Rache an dem Frevler üben. Diesem ist die Lust auf ein Schäferstündchen mit Clotilde vergangen. Er sagt, dass er den Tobenden jetzt verlässt und ihn seinem Leiden und seiner Scham überlässt. Riccardo Fenimoore liegt nämlich nichts daran, dass das Geheimnis seiner Liebe vor der Welt offenbar wird, und verschwindet mit seinem Boot über den Fluss.

Sechste Szene

Ernesto fragt sich verzweifelt, wo er sich befindet. Wer hat seine Hand gelähmt und ihn zu einem Elenden reduziert? Der Fremde hat sich nun in Sicherheit gebracht. Sogar sein Name ist ihm unbekannt geblieben. Er schaut in die Börse, sieht die Goldstücke und lässt sie auf den Boden gleiten. Es sind die Zeugen seiner Scham. Er sieht den Dolch, der Riccardo aus dem Gürtel gerutscht ist und steckt ihn ein. Verflucht, die Chance war da, den Rivalen zu erledigen – doch jetzt ist es zu spät.

Siebte Szene

Inzwischen hat Gualtiero sich langsam aus dem Hintergrund der Bühne genähert. Ernesto hat den Dolch gefunden, in dem eine Krone eingraviert ist. Kennt Gualtiero, der sein Desaster prophezeit hat, den Verräter, der diesen Dolch trägt. Der Angesprochene lässt sich den Dolch zeigen und erklärt, dass er den Mann kenne. Was wünscht der Verzweifelte von ihm? Sein Blut, sein Blut gehöre ihm allein. Dann hat er eine schwere Aufgabe vor sich, denn wenn er seine Identität verrät, kann es ihn sein Leben kosten. Ernesto gibt sich furchtlos. Er verabscheue sein Leben, wenn der Angriff auf seine Ehre ungerächt bleibt. Nun, wenn er die erforderliche Courage hat, kann Gualtiero ihm bei der Ausübung seiner Rache behilflich sein. Sterben will er zu seinen Füßen, wenn der Plan gelingt. Der Lordkanzler wird ihn an seine Worte erinnern, er kann sie nicht zurücknehmen. Man wird sehen, wer sein Wort hält! Gut also, Ernesto wird seine Wiedergutmachung über den stolzen Mann bekommen. Das Gefolge tritt aus der Deckung, zeigt Zufriedenheit mit der Entwicklung der Situation und wechselt mit dem Lordkanzler bedeutungsvolle Blicke. Der Himmel soll mit dem Blitz dazwischen fahren, wenn einer der Kontrahenten seinen Eid bricht, singen sie im Chor. Gualtiero hält in der Hand Dolch und Goldbeutel. Beide verschwinden aus dem Blickfeld. Die Vermummten umstellen Ernestos Haus.

2. Akt:

Erste Szene

Der spanische Gesandte ist zum festlichen Empfang geladen. Den Thronsaal im Westminster-Palast hat man festlich hergerichtet. Die Krone ruht auf einem karminroten Purpurkissen auf einem Beistelltischchen mit goldumrandeter Decke neben dem Thron, den der Bühnenbildner diesmal seitlich angeordnet hat. Die Dialogpartner der Königin müssen dem verehrten Publikum nicht den Rücken zudrehen, denn die dramatischen Ausbrüche und die stillen Gemütsbewegungen, die den Belcanto unterstreichen, wollen die Besucher auch sehen.

Während die Edlen Lords und die schönen Damen in feiner Garderobe auf das Erscheinen Ihrer Majestät warten, wird gepflegt Konversation gemacht. Alles ringsumher wirkt festlich, und Klänge der Freude erreichen die Ohren des Publikums. Viel wichtiger als der spanische Gesandte ist der Favorit der Königin, der ausgezeichnet werden soll und zu den Ehrenzeichen, die er schon hat, noch weitere hinzu bekommen wird. Die Königin will dem Schotten den gleichen Rang verleihen, der bis zu seinem Ableben Talbot erfreute. Dieser stolze Mann wird seinen Platz unter den ersten Lords von England einnehmen. Gibt es keine Erben von Talbot, die in England leben? Tatsächlich gibt es Gerüchte im Parlament, die es wagen, diese Tatsache zu behaupten, aber wer möchte schon die Macht herausfordern, die der Emporkömmling sich anmaßt. Unterwürfig beugt man sich vor ihm, denn er ist der Auserwählte der Königin und führt sich auf, als sei er der Herr im Königshaus.

Gualtiero allein ist stolz und unverzagt und beugt sich vor dem Unbeliebten nicht. Marias und das Schicksal aller ruht in der Hand dieses Mannes. Wahrscheinlich wird er sich eines Tages die Krone selbst auf den Kopf setzen. Die großen gläsernen Flügeltüren öffnen sich, ein Page geht voraus und avisiert die Königin. Sechs kleine Pagen schreiten der Queen voraus, die mit ihren weit ausladenden Rockschößen und ihren wuchtigen Perlenketten den Türrahmen füllt. Die Hofdamen verbeugen sich.

Zweite Szene

Die Queen lässt ihren Blick schweifen, kann Fenimoore nicht wahrnehmen, und ihre Stimmung sinkt sogleich auf einen Tiefpunkt. Der Lordkanzler ist von seinem nächtlichen Erkundungsausflug auch noch nicht zurück. Kann es tatsächlich wahr sein, dass Fenimoore ihr untreu ist? Zu ihr, die dem Fremden, elend und unbekannt, auf seinem Start in eine ungewisse Zukunft zu hohem Rang verhalf, die ihn zur Zielscheibe höchsten Neides machte. Er hat ihr seine Liebe geschworen - und nun sollte er nicht treu sein? Aber wahrscheinlich braut Gualtiero eine abscheuliche Verleumdung zusammen. Angeblich soll seine Liebe vorgetäuscht sein. Allein bei dem Gedanken gefriert der Königin das Blut in den Adern. Alle Schönheit der Schöpfung sammelt sich in seinem Gesicht. Für seine Liebe würde sie sogar den angestammten Thron verschmähen. Aber wehe, wenn er Marias Liebe verrät! Sie wäre verdammt zu ewigem Kummer. Die süße Verzauberung seiner Gesichtszüge würde sie mit den Füßen zertrampeln.

Dritte und vierte Szene

Der Page verkündet, dass die edlen Peers warten einzutreten zu dürfen, um sich zu präsentieren und der Königin ihre Aufwartung zu machen. Sie sollen hereinkommen. Maria spricht ihrem Herzen Courage zu. Sie müssen nicht unbedingt in ihren Gefühlen lesen. Die Peers wünschen Maria, dass der Himmel ihr zulächeln möchte. Maria fühlt sich unbehaglich. Ihr Blick sucht Fenimoore. Ihn allein vermisst sie und er ist nicht da.

Die Peers erklären den Grund ihrer Anwesenheit und unterstützen das Anliegen des spanischen Gesandten. Mit lautem Jubel möchte dieser zu seinem Monarchen zurückkehren, um ihm zu verkünden, dass die Königin von England ihre Zustimmung zur ehelichen Verbindung gibt und sie ihm die Hand zur Hochzeit reicht. Nun, beizeiten wird Maria entscheiden! Drängen hilft nicht. Marias Gedanken sind nicht bei dieser Sache. Irgendwann wird sie sich zu irgendwas entschließen. Die Königin möge das Schicksal des Volkes bedenken. Es sei besser, den spanischen König gegen Frankreich auf der englischen Seite zu haben, als ihn in Opposition zu wissen. Endlich kommt der Page mit der Nachricht, dass Fenimoore in Audienz empfangen werden möchte. O Himmel, welche Freude! Wie sehr regiert er doch ihr Herz. Es ist die Ursache, weshalb Maria nun Unsinn plappert: Die Krone, die sich oberhalb ihrer Braue befindet, braucht keinen neuen Glanz. Die Meere wurden befahren und zu Englands Ruhm durch die Stärke und Tapferkeit des englischen Militärs eingegrenzt. Nun möchte die Königin sich von den Regierungsgeschäften zurückziehen und einen fremden Prinzen zu ihrem Ehemann nehmen. Der Thron ist der Preis für eine reine und milde Liebe.

So leicht sind die Peers nun auch nicht abzuweisen. Wenn die Königin, die das Zepter von ihrem Vater erhalten hat, sich in ihrer Vernarrtheit zu einem fragwürdigen Spiel hinreißen lässt und bereit ist, übereilt den Preis des Verzichtes auf die Königswürde zu zahlen, wird der spanische Philipp dafür kein Verständnis haben. Die Königin winkt ab, bedankt sich für die loyale Zuneigung und alle Wünsche für ihr Wohlbefinden. Die Hofgesellschaft verlässt den Saal und Maria gibt dem Pagen Weisung, Fenimoore zu ihr zu bringen.

Fünfte Szene

„Meine Königin ich liege hier zu deinen Füßen“ sind Riccardos salbungsvolle Worte, um seine Gönnerin zu begrüßen. Das gesprochene Wort wird sogleich stilvoll in die Tat umgesetzt. Die Queen reagiert ungnädig. Der Graf soll aufstehen und sich erklären. Maria fordert kurze und klare Worte. Am Hofe gäbe es Leute, die es wagen, ihn wegen diverser Unregelmäßigkeiten anzuklagen. Der allgemeine Schrei behauptet, dass er sich widerrechtlich Talbots Güter aneignen würde. Sie meinen, es gäbe einen Erben, der aber durch sein Verhalten verborgen gehalten würde. Ihre Majestät wird doch solchen Vorwürfen keinen Glauben schenken? Nicht ernstlich und es ist ihr auch nicht wichtig. Aber es gibt noch eine andere Behauptung von der sie wünscht, dass er sich selbst entlastet. Fenimoore wird ängstlich. Um was geht es? Nun, dann wird sie der Sache näher kommen. Der Frevel ist in seiner Art so schrecklich, dass – wenn er sich als wahr herausstellen – ihr Ärger jede andere Emotion überschreiten würde. Nun ist Fenimoore zu Tode erschrocken. Welche schrecklichen Worte! O Himmel, ein bedrohliches Licht hat in ihren Augen geblitzt. Erneut möchte er ihr zu Füßen fallen, obwohl er sich sicher ist, dass er von ihr freigesprochen wird. Fenimoore kniet vor der Königin und versucht, seinen Kopf in ihre Hände zu platzieren. Maria fühlt sich plötzlich unsicher. Können diese treuen blauen Augen lügen? Maria kann es sich nicht vorstellen. Ohne Furcht, so betont er, wird er das schreckliche Schicksal tragen, wenn die Königin ihn treulos finden würde. Der Ärger der Queen löst sich und der Tonfall wird milder. Nein, Sie glaubt es nicht, denn wenn sie herausfinden würde, dass er ein Lump sei, würde er das nicht überleben. Dann soll er ihr die Namen seiner Feinde offenbaren und ihm erlauben zu handeln. Seine Rache fordert ihr Blut. Nein, die Königin kennt das rechte Maß, wie Verleumder zu bestrafen sind. Zuerst muss er sich aber selbst noch ein bisschen glaubwürdiger machen. Maria wird ihn stets ergeben finden. Lieber würde er sein Leben verlieren, als seine Liebe zu ihr verraten. Aufstieg und Glanz verachtet er. Seine ganze Glückseligkeit konzentriert sich auf das Herz der Geliebten. So ist es recht, Riccardo! Die Königin gibt sich zufrieden, verlässt den Thronsaal und lässt Fenimoore in Gedanken versunken zurück. Ihr Verdacht ist wachgerufen. Seine Feinde konspirieren gegen ihn. Er muss aufpassen. Der Bürgerliche, den er beleidigt hat, wäre fähig, ihm Schaden zuzufügen. Das Mädchen muss in ein anderes Versteck bewegt werden. Die Beweise seiner Schuld sind unverzüglich zu zerstreuen.

Sechste bis achte Szene

Endlich hält Gualtiero den gewünschten Beweis in Händen. Den Favoriten der Königin wird es das Leben kosten. Der üble Hohn dieses Mannes eitert in seinem Herzen. Wachsam und behutsam nähert er sich den Gemächern der Queen. Der Page soll sich beeilen und zur Königin sagen, dass er in einer ernsten Angelegenheit komme. Maria kommt Gualtiero zuvor. Was hat er entdeckt? Was sind die Neuigkeiten? Welchen Lügen ist er gefolgt? Nun, seine Queen wünscht sich, dass es Lügen wären, aber der Günstling, der ihrem Thron am nächsten steht und sich an einem Übermaß von Wohltaten erfreut, beleidigt sie. Die fortgesetzten Kränkungen dürfen nicht ungestraft bleiben. Ach, was er nicht sagt. Mit seinen Worten macht er sie schaudern. Gut denn! Nichts ist gut! Fenimoore liebt eine andere! Gualtiero schüttelt sich, um seinen Ekel auch optisch zum Ausdruck zu bringen. Was sagt er da? Der Ärger steigt der Queen in den Kopf. Er lügt! Aber Majestät! Die Königin will Beweise sehen. Damit hat Gualtiero keine Probleme. Er verlässt einen Moment den Raum und kommt in Begleitung zurück. Die Queen soll auf die Person schauen, die Gualtiero an der Hand hinter sich her zieht. Sie ist es, die der Schurke der Königin von England und Irland vorzieht! Auf das königliche Donnerwetter kann der Lordkanzler gern verzichten und macht sich rar.

Neunte Szene

Zunächst ist Maria sprachlos. Diese Person soll die Rivalin einer Königin sein? Nach einem Moment der Ruhe fasst die Queen ihre Würde zusammen. Wer ist sie, die es wagt, der Königin von England Schmach anzutun? Clotilde ist überwältigt von Schmerz und Scham und sackt zu Füßen der Queen zusammen. Der treulose Mann habe sie betrogen. Mit ihrem Schmerz soll die Queen Mitleid haben. Mit dem Ausdruck von Hohn und Triumph schaut die Königin auf sie herab. Ihr fällt nichts ein, was sie zur Situation sagen soll. Clotilde sieht ihre Chance und wird plötzlich lebhaft. Sie saß an den stillen Ufern der Themse, als er sich plötzlich neben sie setzte und ihr wehrloses Herz mit bezaubernden und einlullenden Worten gefangen nahm. Der schöne Jüngling mit seinem angenehmen Äußeren war ihre erste Liebe. Sie glaubte ihm, aber der Lump betrog ihre albernen Hoffnungen. Vergebens richtete sie ihre Gebete zum Himmel, um ihn zu vergessen. Aber der Treulose kam immer wieder und gelobte ihrem Herzen ewige Liebe. Muss Maria sich das anhören? Sie platzt vor Eifersucht aus allen Nähten. „Ah, nur du allein wirst herrschen in meinem Herzen“ so sagte er zu ihr. Der Charme anderer Frauen sei leer, nur von ihr sei sein Herz entzückt. O fury! Maria richtet sich kerzengerade auf. In tiefem Seelenschmerz klagt Clotilde, dass sie irregeführt wurde. Der lügenhafte Mann betrog sie. Für ihn verriet sie ihr verpflichtendes Wort für Ernesto. Sie ist ein Objekt des Schreckens für sich selbst. Erneut sinkt die Verzweifelte auf die Marmorfliesen und eine vorübergehende Ohnmacht – wohltuend und praktisch - umfasst sie. Langsam gewinnt Maria ihre Selbstbeherrschung zurück. Positive Regungen ihrer weiblichen Seele kommen nach oben. Sie reicht Clotilde die Hand, damit ihr das Aufstehen leichter fällt. Der Zorn der Queen wird nicht auf ihr liegen. Für ihre Fehler sind ihre Tränen und ihr Schmerz Wiedergutmachung genug. Fenimoore habe sie betrogen, wimmert Clotilde.

Maria wird plötzlich munter. Eine andere Person wird das Gewicht ihrer Rache zu spüren bekommen. Dieser Mann wird ihrem Zorn nicht entwischen. Sie fühlt sich als Königin herabgesetzt, weil er die Liebe einer Bürgerlichen ihr vorgezogen hat. Mit seinem Blut soll er bezahlen. Zu Clotilde sagt sie, dass sie jetzt nach Hause gehen könne. Das möchte Clotilde nun auf keinen Fall. Die Queen kennt nicht die Größenordnung ihrer Verfehlungen. Clotilde möchte darüber plaudern. Maria erlaubt es ihr.

Clotilde berichtet, dass sie keine Eltern hat, aber ein Mann sich in früher Kindheit ihrer angenommen hat. Er brachte sie in sein Haus, und nachdem die zu einer blühenden Jungfrau herangewachsen war, lernte er, sie zu lieben. Die Hochzeit war geplant und dann lernte sie den unwürdigen Riccardo kennen und schenkte diesem ihr Herz. Ihr Konflikt besteht nun darin, dass sie ihren Wohltäter, dem sie Dankbarkeit schuldet, verriet. Die Königin fragt, ob sie wirklich nicht weiß, wer ihre Eltern waren. Nun, sie trägt ein Amulett um ihren Hals. Es ist das einzige Stück, was ihr von der lieben Mutter verblieb. Die Königin betrachtet den Schmuck mit Erstaunen. Sie erkennt die Gravur der Talbots. Kann es möglich sein, dass Clotilde die Tochter aus dem Hause Talbot ist? Alter und Gesichtszüge könnten stimmen. Die Königin hat keine Zweifel und umarmt das Mädchen. Hat sie die Gemme ihrem Verführer gezeigt? Ja, er war sogar ganz versessen darauf, ihr das Halsband abzuschwatzen, aber sie sei standhaft geblieben – trotz aller Liebe. Einen neuen Frevel ihres Liebhabers hat Maria aufgestöbert. Dieses niederträchtige Herz! Die beiden Frauen umarmen sich und weinen gemeinsam ein bisschen. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Mitleid für den Verruchten wird nicht gegeben – Blut für Tränen.

Zehnte und elfte Szene

Gualtiero und die Höflinge sind maßlos erstaunt, die Königin so verstört zu sehen. O cielo! Was ist geschehen? Maria erläutert, dass sie einen furchtbaren Frevel entdeckt habe. Riccardo Fenimoore soll sofort hergebracht werden. Clotilde hält sich hinter den ausladenden Reifröcken und Puffärmeln der Königin versteckt. Der Page rennt los, und schon bald ist Riccardo Fenimoore zur Stelle. Er kniet vor ihr nieder, schließt die Augen und ist im Begriff, ihr inbrünstig die Hände zu küssen. Die Königin tritt zur Seite, und vor ihm steht Clotilde mit emotionslosem Gesichtsausdruck. Gran Dio! Fenimoore ist zu Tode erschrocken. Der Opernchor stellt fest, dass er die Farbe gewechselt hat. Die Überraschung ist allgemein. Einer Frau hat er gespottet, aber diese Frau, o Verräter, ist seine Königin! Die erste Standpauke kommt von Maria, die zweite von Clotilde. Den Frieden hat er ihr genommen und ihre Zukunft in höllische Dunkelheit eingeschlossen. Am liebsten möchte sie ihn den gleichen Torturen aussetzen, die ihr Herz durchlitt. Gualtiero zeigt sich befriedigt, der lang erwartete Tag ist gekommen. Nun ist Maria endlich aufgewacht aus ihrer fatalen Lethargie. Sie macht Kleinholz aus dem Verräter, der ihr wüsten Ärger verursacht hat. Denn jetzt ist sie aufgewacht aus ihrer fatalen Lethargie, wiederholt der Chor, was der Lordkanzler angedeutet hat. Maria zeigt auf Clotilde und fordert Fenimoore auf zu sprechen. Ist ihm diese Frau bekannt? „Nein meine Königin!” Clotilde erbebt. Was sagt der meineidige Verräter da? Die Königin erklärt den Versammelten, dass Clotilde die Erbin der Talbots sei und ihre Güter und Ländereien in Besitz nehmen wird. Eis rinnt durch ihre Adern. Den Ruf eines unschuldigen Mädchens hat der Übeltäter verleumdet und zugrunde gerichtet. Aus den Nebeln Schottlands ist er hergekommen und zu hohen Ehren aufgestiegen. Man wird ihn nun verschmähen und in den Dunst zurückschicken. Endlich kehrt das Leben in Fenimoore zurück. Die Beschuldigungen seien falsch, den Ruf nach Gerechtigkeit lässt er ertönen.

Zwölfte Szene

Unbemerkt hat sich die Tür geöffnet. Auf ein Zeichen des Lordkanzlers erscheint Ernesto. Gerechtigkeit, genau die will er auch haben! Alle Frevel Fenimoors wurden noch gar nicht aufgezählt. Ernesto hält dem Widersacher das Etui mit seinem Dolch unter die Nase. Den Beutel mit den Goldstücken hat er auch dabei. Der Schurke hatte ihm diesen zugeworfen, damit er verschwinden soll. Den Umstehenden erzählt Ernesto dazu die passende Geschichte. Clotilde kannte sie noch nicht. Fenimoore ist daran interessiert, die Geschichte nicht allzu ausführlich zu bringen. Er warnt den Vorlauten, er zerstöre ihn und sich selbst. Doch Ernesto liegt an seiner Ehre mehr, als an seinem Leben. Wenn er mit ihm gemeinsam das Schafott besteigt, wird er im Tode gerächt sein. „Kann das wahr sein“, fragen die Umstehenden. Wie furchtbar! Welch monströser Frevel! Maria weist die Lords an, die Gerichtsversammlung einzuberufen. Beide sollen sofort eingekerkert werden und zwar dort, wo der Aufenthalt am Fürchterlichsten ist. O fury! Fenimoore sieht sein Schicksal besiegelt. Nun ist sein Tod sicher. Der Wunsch nach einem Königreich hat ihn an den Abgrund geführt. Sogar sein Name wird auf Erden mit Infamie bedeckt sein. Das Spiel ist verloren. Seine Niederlage trägt er mit Fassung.

Gemeinsam wird Ernesto mit seinem Widersacher das Leben aushauchen. Das Schicksal hat es so gefügt. Die Frau, die ihm untreu war und die er verehrte, ist sie wieder lieb zu ihm? Einen Strahl von Mitleid für sein Schicksal erfleht er von ihr. Clotilde fühlt sich als Ursache allen Schreckens. Gern würde sie ihr Blut geben, damit das Leben der beiden Männer geschont wird. Sein Schicksal ist entschieden. Das Fallbeil wird den Kopf vom Rumpf trennen. Armer Riccardo! Alle Schönheit dieser Erde hatte sich in seinem Gesicht versammelt.

3. Akt:

Erste und zweite Szene

Das Volk ist neugierig und möchte von den wacheschiebenden Soldaten wissen, was nun mit den beiden Angeklagten passieren wird. Erstaunlich geschwätzig lassen diese sich auf einen Disput ein. Die Versammlung der Peers hat das Urteil gefällt. Was hat der Graf dazu gemeint? Nun, mit unbewegtem Gesicht hat er zugehört, keine Reue gezeigt und sich auch nicht entschuldigt. Wie hat der Bürgerliche reagiert? Furchtlos hat er zugehört und so getan, als ob man ihn zum Triumph führe. Wie lautet das Urteil? Beide müssen sterben, der eine wird heute geköpft und der andere morgen. Ende der Diskussion! Clotilde, die hinzugekommen ist, hat den Rest der Unterhaltung noch mitbekommen. Sie ist wie vom Donner gerührt und fasst ihren Seelenschmerz in Worte. Sie fühlt sich schuldig und möchte ihr Versagen gutmachen. Sie denkt daran, ihr Leben einzutauschen gegen das von Ernesto. Nur so kann sie ihren Seelenfrieden wiederfinden.

SZENENWECHSEL

Dritte bis fünfte Szene

Der Tower von London ist mit seinen gotischen Bögen und tragfähigen Säulen eine willkommene Kulisse, um höfische Intrigenspiele optisch wirksam abzurunden. Gualtiero kennt die Weiberherzen. Die Königin wird es niemals dazu kommen lassen, ihren Günstling dem Fallbeil zu überantworten. Tatsächlich erscheint sie bald auf der Bildfläche und will den Bösewicht mit dem trügerischen Herzen noch einmal sprechen. Vielleicht kann er die Beweise gegen ihn doch noch entkräften. Das Urteil ist noch nicht signiert. Doch der Lordkanzler möchte seine Beute nicht mehr preisgeben. Heimlich hat er den Pöbel mobilisiert. Wie lange will Majestät damit noch warten? Das Volk wartet und will pünktlich sein Schauspiel. Maria ist der Ansicht, dass London ihren Befehlen gehorchen muss. Doch Gualtiero ist nicht London, glaubt er jedenfalls, und fordert die Queen auf, seinen weißen Haaren nicht zu misstrauen. Jeder verabscheut Riccardo Fenimoore und man erwarte von der Queen, dass sie den Verräter bestrafe. Der Mann hat es gewagt, ihre Milde mit Frevel zu quittieren. Das Volk betet sie an und deshalb kann sie nicht zögern, das Urteil auch vollstrecken zu lassen. Maria ist unbeeindruckt. Vom Lordkanzler erwartet sie keine Belehrung, sondern Gehorsam. Sie sei es, die regiere. Die Queen möge sich bitte erinnern, dass durch ihn das Volk von London zu ihr spreche. Großer Tumult ist von draußen zu hören. Gualtiero hat das Fenster geöffnet, damit Maria die Stimme des Volkes vernehmen kann. O meine Königin, schaue selbst, das Volk lässt sich nicht mehr zerstreuen! Die Wachen weichen zurück, beschreibt Gualtiero den aktuellen Zustand. Die Stunde der Hinrichtung war festgesetzt. Tod! Tod, für den infamen Schotten, ertönt eine Stimme aus dem Pöbel, möglicherweise vom Lordkanzler gekauft. Maria nimmt das Urteil aus Gualtieros Hand und unterschreibt. Sie lässt einen Seufzer vernehmen und gibt es ihm zurück. Der Lordkanzler bekommt die Weisung, das Volk mit ihrem Wunsch zu konfrontieren, die Exekution für eine Stunde noch auszusetzen. Doch im Herzen sinnt die Königin auf Ränke. Wie kann man es einrichten, den Weißbart zu überlisten? Sie überlegt, dem Verurteilten vor seiner Hinrichtung eine schwarze Kapuze über den Kopf zu stülpen. Aber unter der Verkleidung wird sich nicht Fenimoore befinden. Voraussetzung ist allerdings, dass Riccardo sich zu ihren Füßen einfindet, seine Schuld gesteht und bereut. Majestät steht gewaltig unter Zeitdruck.

Sechste Szene

Clotilde kommt ihr gerade recht. Ihr Besuch gilt allerdings nicht Riccardo, sondern Ernesto. Den Wächter hat sie mit der Kraft des Goldes für sich einnehmen können und sich Zutritt verschafft. Chi vien! – Ciel la regina! Clotilde soll der Königin nun nicht erzählen, dass Liebe sie in diese Mauern gebracht habe. „Es ist nur die Liebe allein“, antwortet Clotilde. Wenn es so ist, so soll sie der Königin helfen. Zu Füßen des Schafotts nimmt die Königin alle Bitternis aus ihrem Gemüt. Sie soll jede Emotion beiseite schieben, um dem unglücklichen Mann dienlich zu sein. Sie muss jetzt gehen und überlässt den Faden des Handelns Clotilde. Die Queen konnte in der Eile nicht realisieren, dass Clotildes Sorge nicht Riccardo, sondern Ernesto gilt. Die Queen erteilt dem Wächter Weisung, dass sie der Frau Vollmacht gegeben hat und er solle tun, was sie anweist. Dem Mann, auf den die Duchessa zeigt, soll er durch den Geheimgang zur Flucht verhelfen und mit einem Boot auf der Themse entkommen lassen. Nun liegt Fenimoors Leben in ihrer Hand, sagt die Königin zum Abschied.

Fenimoore entfliehen lassen und Ernesto dem Henkersbeil überantworten? Das wird nie geschehen! Der Himmel hat ihre Fußstapfen in diese fürchterlichen Mauern geführt, nun soll er ihr auch weiterhelfen, das Leben eines unschuldigen Mannes zu schützen. Zu dem Wärter sagt sie. „Öffne die Zelle für mich,“ „Die von dem Grafen?“ „ Nein, die andere!“

Siebte und achte Szene

Wer kommt ihn im Gefängnis besuchen? Welcher süßer Ton klingt durch die stickige Luft? Gran Dio, es ist Clotilde! Kann es wahr sein? Die Duchessa hat den unglücklichen Mann nicht vergessen. Aber weshalb weint sie? Ernesto soll nichts sagen. Jedes seiner Worte kommt zu ihr wie ein fürchterlicher Dolch und sticht in ihre Seele. Clotilde fällt ihm zu Füßen und bittet ihn inständig um Verzeihung, weil sie ihn mit einem anderen betrogen hat. Sie hat ihn nicht betrogen. Sie soll es nicht so formulieren. Vergeben soll sie die kühnen Gelübde, welche sein Herz ihr unüberlegt angeboten hatte. Der Himmel schickte ihm einen Engel in Gestalt eines Menschen. Er liebte ihn und hoffte, dass ein heiliger Bund sie verbinden würde. Aber die himmlische Gerechtigkeit hat die anmaßenden Hoffnungen bestraft. Der Weg der Erkenntnis war schwierig für ihn. Nein, es hat sich umgekehrt verhalten. Der Himmel platzierte ihn an seine Seite, als er Mitleid mit einer armen Waise hatte. Er trocknete ihre Tränen und reichte ihr die Hand zur Hochzeit. Aber dann faszinierte ein Dämon sie und machte sie für ihn unglaubwürdig. Aber was ist die Absicht, durch dieses Tor zu kommen, hinter dem alle Hoffnung stirbt. Sie ist gekommen, ihn zu retten. Ohne sie wünscht er sich von ganzem Herzen den Tod. Kann er ihr denn vergeben? Liebt sie ihn noch? Sie soll ihm sagen, dass sie ihn noch liebt. Kann er ihre Gedanken nicht erraten? Ernesto fühlt, dass sie ihn liebt. Eine Ekstase ergreift ihn, die nicht mehr menschlich ist. Der Himmel ist einem hoffnungslosen Mann in größter Verzweiflung zur Hilfe geeilt. Nun kann er beruhigt sterben. Sein letzter Atemzug wird ein Seufzer der Freude sein. Ihr letzter Atemzug, bekennt Clotilde, wird nicht von Angst diktiert sein. Jetzt wird es aber Zeit, aus dieser düsteren Umgebung zu verschwinden. Ernesto erwacht wie aus einem Traum. Er soll ihr folgen. Leben und Liebe gibt der Himmel ihm zurück. Das Boot steht bereit. Der Wächter führt sie hin, hält Clotilde aber zurück, denn ihr ist es nicht erlaubt zu fliehen. Die Zeit drängt. Gut, Ernesto rät dem geliebten Wesen, zu bleiben. Man wird einen Weg finden. Seine Liebe wird er niemals mit einer anderen teilen. Gott soll sein Führer sein. Ernesto steigt ins Boot und Clotilde schaut ihm sehnsüchtig nach.

Neunte und zehnte Szene

Fenimoore kommt sich in seiner Zelle grenzenlos verlassen vor. Hier ist er nun eingeschlossen und für ihn wird es die letzte Stunde sein. Einen Moment denkt er daran, den schwarzen Schal, den er bei sich trägt und der für die Queen Erinnerungswert hat, ihr zurückzugeben. Gern würde er sie noch einmal sehen und ihr den gemeinen Komplott offenbaren, der gegen ihn gerichtet war. Aber seine Gedanken rennen mit ihm fort, um noch auf Rettung zu hoffen. Hier wo jeder ihn verabscheut und verachtet, dort wo Gualtiero herrscht, ist kein Platz für ihn. Riccardo geht auf und ab. Sterben! Wie viele Hoffnungen, wie viele Wünsche werden abgeschnitten mit diesem Wort. Aber ein friedvoller Tod ist nur ohne Reue denkbar. Für sie bedeutet sein Tod Tortur und Weinen für immer und für ihn führt der Weg in die Hölle. Die Erde verschlingt ihn nicht und der Himmel streckt ihn nicht nieder.

Der Graf soll sich für den letzten Weg bereitmachen. Jeder weitere Aufenthalt wäre tadelnswert. Fenimoore erwacht aus seinen Gedanken und folgt der Wache, die ihn umringt. Plötzlich sieht er, wie einer der Offiziere versucht, seine Tränen zurückzuhalten. Kann es wahr sein, dass jemand Mitleid mit ihm empfindet. Fenimoore spricht ihn an und bittet ihn, den Schal, den er einst von der Queen geschenkt bekommen hat, zurückzubringen. Der Mitfühlende verspricht, sich zu beeilen. Fenimoore klammert sich an diesen Strohhalm. Die Wächter glauben nicht, dass der Himmel seine Hoffnung erfüllen wird.

Elfte und zwölfte Szene

In einem Balkonzimmer des Towers konferiert die Königin mit Raoul, dem Anführer der Wachen, und ihrem Lordkanzler. Raoul selbst soll sich um die Angelegenheit kümmern. Ernesto ist mit seinem Boot nicht weit gekommen. Er wurde auf der Flucht geschnappt. Nun ordnet die Königin an, dass er bei der Hinrichtung Fenimoors Platz einnehmen soll. Ein Schleier wird die Wahrheit vor dem Volk verbergen. Mit seinem Leben ist Raoul ihr verantwortlich für die korrekte Erfüllung seiner Aufgabe. Der Leutnant zieht sich zurück. Maria ist in ihre Gedanken so vertieft, dass sie nicht mitbekommt, wie Gualtiero ihm folgt. Es ertönt ein Trauermarsch. Furchtsam hat Clotilde den Raum betreten. Die Königin ruft sie zu sich, dass sie den Schmerz mit ihr teile, während alle anderen sich freuen. Sieht sie den Verurteilten, dessen Gestalt durch einen schwarzen Schleier verdeckt ist? Welch grauenhafter Anblick! Die Prozession zieht vorbei. Ihre Empfindungen lassen die beiden Frauen im Duett erklingen. Welch fürchterliche Stunde! Ihr Blut gefriert zu Eis. Ein kalter Wind streicht über ihre Wangen. Sie zittern, sie taumeln, ihre Kräfte haben sie verlassen. Furcht presst sie zusammen. Schon wieder ertönt ein Trommelwirbel. Was ist passiert? Das Opfer nähert sich jetzt dem Schafott. Clotilde fühlt die eisige Hand des Todes nach ihr greifen. Marias freudiger Ausruf: „Er ist gerettet“. Wie kann die Königin sich laben und weshalb wird ihr Herz nicht geschüttelt? Maria klärt Clotilde auf, dass sie sich freuen soll, denn der Liebste ist gerettet. Welcher? Natürlich Fenimoore! Was sagt die Königin da? O Schrecken! Der bestechliche Wächter betrog sie beide, aber der Flüchtling wurde eingefangen. Mit einem schwarzen Umhang bedeckt, hat er den Platz des Grafen eingenommen. Clotilde soll sich nicht aufregen, sondern zu sich kommen. Wenn das Volk die Wahrheit erfährt, wird beiden Verurteilten Gerechtigkeit widerfahren. Maria wird böse und fasst sie beim Arm, Clotilde soll still sein! Die Queen stellt sich in den Türrahmen und lässt Clotilde nicht passieren. Die Aufgebrachte beschimpft die Queen als mitleidlose Tigerin. Die Füße des Verurteilten waren durch den Schleier nicht verdeckt. Es waren nicht die Füße von Ernesto, hatte Clotilde festgestellt. Nun soll die Queen zittern. Ihr Herz hat nicht gebebt, als sie mit den Augen den Gang zum Schafott verfolgte. Furchtbare Zweifel erfassen die Königin nach diesen Worten. Sie schickt ihre Wachen los, übergibt ihnen ihren königlichen Ring als Vollmacht, dass man die Exekution anhalten soll. Schon ist ein drittes Mal das Rollen der Trommeln zu hören. O Schreck, der Kopf ist ab.

Letzte Szene

Gualtiero tritt ein und bemerkt, dass die Justiz ihr Werk getan hat. Der Verbrecher ist tot. Der Lordkanzler befindet sich in Begleitung, den abgeschlagenen Kopf hat er nicht mitgebracht aber an der Hand hält er Ernesto. Überglücklich stürzt Clotilde auf ihn zu und schließt ihn in ihre Arme. Gualtiero hat für die Umstehenden einen passenden Spruch zur Hand. „Gott segne die Queen und das englische Volk mit ihr“. Der Ausbruch eines grenzenlosen Zorns erschüttern die Betrogene bis zur totalen Erschöpfung und beendet die Oper.


Letzte Änderung am 10.11.2007
Beitrag von Engelbert Hellen