Gioacchino Rossini (1792-1868):

Il barbiere di Siviglia, ossia L'inutile precauzione

deutsch Der Barbier von Sevilla / englisch The Barber of Seville, or The Futile Precaution / französisch Le Barbier de Séville

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1815
Uraufführung: 20. Februar 1816 in Rom (Teatro Argentina)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 140 Minuten
Bemerkung: Uraufgeführt unter dem Titel "Almaviva ossia L'inutil precauzione".

In den knapp sechs Jahren von 1810-1815 schrieb Rossini nicht weniger als 15 Opern. Es war ein Komponieren im Eilverfahren, die Auftragserfüllung erfolgte meist binnen Tagen. So entstand auch "Il Barbiere di Siviglia" unter enormem Zeitdruck: das Libretto von Sterbini lag Ende Januar 1816 vor, und am 20. Februar erlebte das Werk in Rom seine Uraufführung. Diese geriet zu einem Misserfolg, was einer Intrige der Freunde und Bewunderer Paisiellos, Autor der bei weitem berühmtesten früheren "Barbiere"-Vertonungen, zugeschrieben wird. Die weiteren Vorstellungen und auch die im gleichen Jahr folgenden Premieren in Bologna und Florenz wurden sehr umjubelt, und schon zu Lebzeiten Rossinis wurde "Il Barbiere di Siviglia" dessen meistgespielte Oper.

Kaufempfehlung

CD: Klassika CD-Kaufempfehlung bei jpc
[Details]
Der Barbier von Sevilla (Naxos, DDD, 1992)
Gioacchino Rossini (1792-1868)

G. Heinsen in Orpheus 11/93: "Ramon Vargas, der strahlende Tenor der preiswerten NAXOS-Aufnahme. Was für eine Stimme im besten Belcanto-Saft! Was für ein Legato, welche Attacke und welche Töne der Höhe! In diesem 'Barbiere' herrscht das fröhliche, konstruktive und elementare italienische Chaos, wieman es in den Straßen von Rom oder Neapel erleben kann. Alle reden, schreien, fluchen, lachen, und leben! Und singen! Es ist dies wohl die ungewöhnlichste und prallste Aufnahme eines 'Barbiere' seit der Glyndebourne-Einspielung unter Gui, immer noch der Maßstab aller Dinge für mich."

Zur Oper

Art: Komische Oper in zwei Akten
Libretto: Cesare Sterbini (beruht auf einer Komödie von Pierre de Beaumarchais)
Sprache: italienisch
Ort: Sevilla
Zeit: 17. Jahrhundert

Personen der Handlung

Il Conte d'Almaviva: Graf Almaviva
Bartolo: Doktor der Medizin
Rosina: Sein Mündel
Figaro: Barbier
Basilio: Musikmeister
Fiorello: Diener des Grafen
Berta: (Marzelline) Haushälterin
Un Ufficiale: Ein Polizei-Offizier

Handlung

Rosinas Vormund Doktor Bartolo kommt dieser fremde Verehrer in die Quere - Bartolo will Rosina nämlich selbst heiraten. Der intrigante Musiklehrer Basilio soll ihm bei seinem Plan behilflich sein.
Figaro bietet dem Grafen seine Dienste an und ist bei der Zusammenführung der beiden Liebenden behilflich. Er schleust den Grafen zunächst als Soldat verkleidet in Bartolos Haus. Beim zweiten Versuch gibt sich Almaviva als Musiklehrer Alonso aus, um so der schönen Rosina näher zu kommen. Bartolo wirft ihn zum zweiten Mal hinaus und will nun sofort den Ehekontrakt mit Rosina unterzeichnen.
Diese willigt ein, nachdem sie sich durch ein Missverständnis von Lindoro/Almaviva getäuscht fühlt. Während Bartolo das Haus verlässt, steigen Almaviva und Figaro durch ein Fenster ein. Der Graf gibt sich zu erkennen, und Rosinas Zweifel verschwinden.
Der herbeigerufene Notar traut die beiden - Basilio und Figaro fungieren als Trauzeugen. Bartolo zeigt sich am Ende versöhnt, weil Almaviva auf die Mitgift Rosinas verzichtet.

Handlung

1. Akt:

Der junge, gut aussehende Graf Almaviva hat sich sehr in Rosina verliebt, das Mündel des geizigen und argwöhnischen alten Doktors Bartolo. In der grauen Morgendämmerung kommt er mit einer Musikantengruppe zu ihrem Haus, um ihr ein Ständchen zu bringen. Die Musikanten spielen ein Liedchen für Rosina, und dann singt ihr der Graf selbst seine Serenade "Ecco ridente in cielo". Er entlohnt dann seine Musikanten -- offenbar sehr großzügig, denn sie bedanken sich bei ihm mit solchem Enthusiasmus, daß sie damit wohl die schlafende Rosina aufgeweckt haben müßten, selbst wenn das der lieblichen Serenade des Grafen nicht gelungen sein sollte. Dieser will sich vom Hause Rosinas nicht trennen, wenn sie sich auch noch nicht gezeigt und für sein charmantes Lied bedankt hat; als sich dann jemand anderer dem Hause nähert -- mit recht viel Lärm für eine so frühe Stunde -- versteckt sich Almaviva um zu sehen, wer da wohl kommt. Nun, es ist kein anderer als Figaro, der fröhliche Barbier der Stadt. Außer Barbier ist er aber auch ein Hansdampf in allen Gassen, ein Faktotum eben, dessen Beruf ihm Zugang in die Häuser von Personen aller Stände gewährt -- der richtige Mann für die Hilfe bei allen Plänen junger Liebespaare und alter Spitzbuben. In der glänzenden, immer schneller werdenden Arie "Largo al factotum" demonstriert er seinen redseligen Charakter und sein äußerst lustiges Leben. Der Graf hat nun Figaro erkannt und ersucht ihn, eine Zusammenkunft zwischen ihm und der schönen Rosina in die Wege zu leiten; Figaro soll ihm helfen, Rosina zu gewinnen, und fügt hinzu, daß seine gesellschaftliche Stellung ungenannt bleiben solle, da er nicht möchte, daß das Mädchen durch den damit verbundenen Glanz beeinflußt wird. Er nennt sich nun Lindoro. Nocheinmal singt der Graf, von Figaro angefeuert, sein Liebeslied nach einer zärtlich-zwingenden Melodie -- mit "Se il mio nome" sagte er ihr, daß sein Name Lindoro ist, und daß er sie liebt. Die zwei Ränkeschmieder verstecken für einen Augenblick, als Dr. Bartolo aus dem Haus kommt; er hat dem Diener strengen Auftrag gegeben, niemand anderen als nur den Musiklehrer Basilio einzulassen. Er hofft, mit Basilios Hilfe Rosina heiraten zu können -- er liebt das Mädchen ebenso wie ihre zu erwartende Mitgift. Als Bartolo um die Ecke davongeht, beraten sich der Graf und Figaro weiter; Truppen kommen in die Stadt und der Barbier rät ihm, sich als Dragoner verkleidet im Hause Bartolos einzuquartieren.
Rosina hat einen Brief von Lindoro erhalten und schreibt nun ihre Antwort. Sie ist natürlich hochbewegt und verleiht ihren Gefühlen Ausdruck in der köstlichen, brillanten Koloraturarie "Una voce poco fa". Um diese strahlende Nummer wiederzugeben, muß eine Sängerin alle Register der Koloraturkunst ziehen. Rapide Skalen und Arpeggios zusammen mit kontrastierendem Rhythmus und Dynamik drücken mit übersprudelnder Heiterkeit die zarten Gefühle Rosinas aus -- in den beschwingten Worten der italienischen Sprache. Als das temperamentvolle Mädchen aus dem Zimmer läuft, tritt Dr.Bartolo zusammen mit Basilio auf, dem Musiklehrer, der auch von Intrigen viel versteht. Bartolo teilt dem Lehrer mit, daß er selbst Rosina zu ehelichen wünsche; Basilio weiß daß bereits, und er erzählt dem guten Doktor, daß jetzt der edle Alamaviva durch diese Gegend streift. Beide Männer erkennen sofort, daß der Graf der geheimnisvolle Serenadensänger gewesen sein muß. Basilio schlägt vor, ein häßliches Gerücht in Umlauf zu setzen, aufgrund dessen Rosina den Grafen ablehnen wird. Er erklärt in der derb-komischen Arie "La Calunnia", daß eine Verleumdung wie ein Sturm beginnt, der durch trübe Waldhöhlen heult, bis er dann seine Kräfte voll versammelt hat und wie ein schrecklicher Blitzschlag sein wehrloses Opfer trifft. Diese Schilderung der verheerenden Wirkung von Gerüchten wird von einer Musik begleitet, die in einem unglaublichen Crescendo zu einem wilden Höhepunkt aufsteigt; trotzdem wohnt der Musik aber auch ein humorvolles Element inne, das andeutet, daß diese Worte in Basilios Mund eher als Karikatur zu verstehen sind. Rosina tritt in Begleitung Figaros auf, der ihr mitteilt, daß ihr Vormund sie selbst heiraten will. Rosina lacht bloß über diese Idee und erkundigt sich verschämt-kokett über den jungen Mann, den sie von ihrem Balkon aus gesehen hat. Figaro bestätigt, daß das wirklich ein augezeichneter Mann ist -- aber mit einem Fehler. "Ein Fehler?" ruft Rosina erschrocken. "Ja, ein großer noch dazu," erwidert Figaro trocken. "Er ist unsterblich verliebt." Die höchst interessierte Rosina will mehr darüber hören, und Figaro gibt nach einigem Zögern schließlich verschmitzt zu, daß die Abgebetete des jungen Mannes... Rosina heißt. "Du spottest nur," ruft Rosina aus, und die beiden singen ein heiteres Duett. Rosina kann es kaum erwarten, den jungen Mann wiederzusehen, und Figaro versichert ihr, ein paar Zeilen von ihr genügen würden, den jungen Verehrer zu ihr zu bringen. Rosina weigert sich errötend, aber als Figaro sie antreibt: "Beeile dich, schreibe ihm das Brieflein", gesteht sie plötzlich: "Oh, hier ist es, ich habe es bereits geschrieben, wie dumm von mir!" Als Figaro mit dem Brief fortgeht, kommt Dr. Bartolo herein; er wollte von Figaro mehr über den jungen Sänger erfahren. Er argwöhnt, daß das Faktotum als Liebesbote zwischen dem Sänger und Rosina fungiert, und deren Erröten und die Tintenflecken an ihren Fingern bestätigen seinen Verdacht; das Mädchen aber sagt, sie habe bloß ein paar Süßigkeiten für eine Freundin verpackt und mit einer Feder Blumen auf das Papier gezeichnet. Der Zorn ihres Vormunds und die kecken Antworten des Mädchens bestimmen den Charakter der Musik in dieser Szene, zu der auch Bartolos Lied "A un dottor della mia sorte" gehört, in dem er Rosina davor warnt zu versuchen, einen Doktor seines Ranges zu täuschen. Nun wird laut an die Haustür geklopft -- es ist Graf Almaviva, als betrunkener Soldat verkleidet. Dem alten Bartolo kommt die Verkleidung verdächtig vor; indigniert lehnt er die Einquartierung von Soldaten in seinem Haus ab und gibt dann vor, nach dem amtlichen Schreiben zu suchen, durch das er gegen solche Einquartierungen geschützt ist. Dies gibt dem werdenden Liebespaar kurz Gelegenheit für ein paar geflüsterte Worte, und Lindoro-Almaviva steckt Rosina einen Brief zu. Und dann münden all diese Intrigen und Aufregungen in ein wunderbares Quintett mit Rosina, Almaviva, Berta, Bartolo und Figaro. Gleich darauf kommen die von Bartolo herbeigerufenen Soldaten, um den eingedrungenen Friedensstörer Almaviva zu verhaften -- nur um ihn kurz danach wieder freizu lassen, als er dem erstaunten Offizier insgeheim seine wahre Identität mitteilt.

2. Akt:

Der Versuch mit der Soldatenverkleidung ist also fehlgeschlagen, aber Figaro hat bald eine neue Idee. Als sich der Vorhang hebt, sehen wir den alten Doktor, der sich fragt, ob der betrunkene Soldat nicht ein Bote des Grafen Almaviva war. Seine Überlegungen werden von einem Besucher unterbrochen -- es ist wiederum der beharrliche Graf, diesmal aber verkleidet als Don Alonzo, ein Musiklehrer. Er erklärt, daß Don Basilio Fieber habe und ihn anstatt seiner geschickt habe, um Rosina ihre Musikstunde zu geben. Er macht seinen Auftritt in einer musikalisch großartigen Arie, voll von ölig-höflichem Sarkasmus -- "Pace e gioia". Um den aufsteigenden Verdacht Bartolos zu beruhigen, zeigt ihm der Graf den Brief, den Rosina an ihren Lindoro geschrieben hat. Er gibt vor, den Brief in der Herberge gefunden zu haben, in der er selbst, aber auch Almaviva abgestiegen ist, und macht sich erbötig, Rosina von den unehrlichen Absichten des Grafen zu überzeugen, indem er ihr sagen wird, daß dieser in Wahrheit eine Geliebte hat. Das gefällt Bartolo; eine solche Verleumdungsidee beweist ihm, daß der seltsame Musiklehrer Don Alonzo ein würdiger Schüler von Basilio ist! Rosina kommt für ihr Musiklektion herein und erkennt "Lindoro", läßt sich das aber nicht anmerken. Für diese Szene hatte Rossini ein Mezzosopran-Arie geschrieben -- die ursprüngliche Stimmlage dieser Partie. Als sich Rosina aber später in einen Koloratursopran verwandelte, wurde diese Arie nicht mehr gesungen, sondern die jeweilige Sängerin pflegte hier meist ein Lied nach eigener Wahl zu singen -- ein Privileg, das manche Primadonnen zu extremen Anachronismen ausgenutzt haben. Mitten in dieser Arie tritt Figaro auf und erklärt, heute sei der Tag, an dem Bartolos Rasur fällig sei. Dieser befiehlt ihm, einige Handtücher zu holen und gibt ihm seine Schlüssel. Figaro zerbricht im Nebenraum lautstark einiges Geschirr, um dem Grafen Gelegenheit zu geben, kurz mit Rosina allein zu sein, worauf die beiden einander ihre Liebe gestehen können; überdies stiehlt Figaro noch den Schlüssel zur Balkontür -- für alle Fälle! Jetzt aber trifft der "erkrankte" Basilio ein. Um die Täuschung aufrecht zu erhalten, flüstert der Graf Bartolo zu, er solle Basilio wegschicken, da dieser sonst den Plan bezüglich Rosinas stören würde. Prompt fragt Doktor Bartolo den echten Musiklehrer, wie er denn mit Fieber überhaupt ausgehen könne! Da der Graf dann zu allem Überfluß Basilio noch insgeheim ein volle Geldbörse zusteckt, glaubt dieser an irgendeine interessante Intrige und nimmt schnell seinen Abschied. Während nun Figaro Doktor Bartolo mit seinem Rasiermesser und viel Seifenschaum in den Augen ablenkt, kann das Liebespaar Fluchtpläne schmieden. Schließlich aber erkennt Bartolo doch, was hier vorgeht, und er erkennt, daß er wieder getäuscht worden ist. Die drei "Verschwörer" laufen lachend aus dem Haus, gefolgt von dem zornroten Doktor. Nun muß Bartolo seine letzte Karte ausspielen. Er zeigt Rosina den Brief und sagt, ihr angeblich treuer Lindoro sei im Begriffe, sie den Armen des Grafen Almaviva zu überliefern. Die tief erzürnte, sich verraten glaubende Rosina erklärt sich jetzt bereit, sofort Bartolo zu heiraten, enthüllt ihren Fluchtplan und fordert ihn auf, Lindoro und Figaro bei ihrer Wiederkehr sofort verhaften zu lassen. Aber als Bartolo geht, um die Polizei -- und den Notar für seine Eheschließung -- zu holen, kommen die beiden angeblichen Übeltäter mit Hilfe des gestohlenen Schlüssels wieder ins Haus. Rosina begrüßt sie mit zornigen Anklagen -- Lindoro habe ihr nur Liebe geheuchlt, um sie dem bösen Grafen Almaviva auszuliefern ... Der Graf ist begeistert darüber, daß Rosina einen armen Studenten einen ränkespinnenden Edelmann vorzieht; er gibt sich jetzt zu erkennen und das Liebespaar fällt sich in die Arme, beglückwünscht von Figaro. Sie werden nun von Don Basilio unterbrochen, der in seinem Amt als Notar und Standesbeamter gekommen ist, um Rosina mit Bartolo zu vereinen. Er wird jedoch dazu überredet -- mit Hilfe einer Pistole -- , Rosina anstatt dessen mit dem Grafen zu verheiraten. Als Bartolo mit der Polizei eintrifft, ist es zu spät -- das Ehedokument ist unterzeichnet, Rosina ist zur Gräfin Almaviva geworden. Der Doktor beschließt philisophisch, sich ins Unvermeidliche zu fügen, und der wackere Figaro überschüttet alle Anwesenden mit einer Flut guter Wünsche.


Letzte Änderung am 14.9.2012