Johann (Sohn) Strauss (1825-1899):

Cagliostro in Wien

Allgemeine Angaben zur Operette

Entstehungszeit: 1874-75
Uraufführung: 27. Februar 1875 in Wien
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Bemerkung: Im Jahre 1941 wurde die Operette von Karl Tutein musikalisch überarbeitet. Die neue Textfassung stammt von Gustav Quedenfeldt.

Zur Operette

Art: Operette in drei Akten
Libretto: F. Zell (Camillo Walzel) und Richard Genée
Sprache: deutsch
Ort: Wien
Zeit: um 1765

Personen der Handlung

Maria Theresia: Kaiserin von Österreich
Marie Luise: Infantin von Spanien
Graf Cagliostro: Wunderheiler und Hochstapler
Lorenza: eine Straßensängerin, seine Lebensgefährtin
Blasoni: sein untreuer Gehilfe
Baron Sebastian Schnucki: kaiserlicher Sittenkommissar
Feri von Lieven: Leutnant
Teiglein: Konditor und Annemaries Vormund
Severin: Schaubudenbesitzer
Weitere: der Wirt der „Türkenschanze“, der Hofmarschall, Frau Adami, Hofherren, Hofdamen, Volk, Soldaten, Polizei

Handlung

1. Akt:

Der kaiserliche Sittenkommissar beobachtet argwöhnisch die Schaubude des berühmten Wundertäters Cagliostro, der zur abendlichen Vorstellung geladen und sein Podest vor der „Türkenschanze“ aufgebaut hat. Allzu gern möchte Baron Schnucki den Scharlatan bei einer Verfehlung auf frischer Tat ertappen und inspiziert unaufhaltsam das Gelände.

Dem Verschlagenen kommt die Anwesenheit des Barons gelegen. Er schmeichelt dem Beamten, damit er ihm eine Audienz bei Kaiserin Maria Theresia verschafft. In geheimer diplomatischer Mission ist Graf Cagliostro unterwegs, um Einzelheiten über die bevorstehende Hochzeit der spanischen Infantin mit dem Erzherzog Leopold in Erfahrung zu bringen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten soll der Tausendsassa diese Verbindung im Interesse der französischen Diplomatie torpedieren.

Das schnöde Bürgerturm wird durch die wohlhabende Frau Adami vertreten, deren Nichte Annemarie gern den Leutnant Feri heiraten möchte. Die Mitgift fließt aber erst, wenn Baron Schnucki sein gegebenes Versprechen einlöst und zuvor die Alte unter die Haube bringt.

2. Akt:

Im Schloss Schönbrunn gelingt es dem Frauenliebling, die Infantin Marie Luise hypnotisch zu beeinflussen. In einem Brief an die zukünftige kaiserliche Schwiegermutter soll sie verkünden, dass sie von der Verlobung mit Leopold Abstand nimmt. Der Brief gerät zunächst in die Hände der Sittenkommission, die sich mit Leutnant Feri berät. Dieser vermutet ganz richtig einen Schachzug Cagliostros und will den Intriganten verhaften. Der Verschlagene ist den beiden aber zuvorgekommen und hat die Audienz bei der Kaiserin erwirkt. Vor ihren Augen kann er eine Menge Goldstücke ausbreiten, die er durch seine alchmistischen Künste produziert haben will. In Wahrheit hat er das Geld aber von Frau Adami bekommen, die er mit seinen Mixturen vorübergehend von ihren Runzeln befreit hat.

Die leichtgläubige Monarchin ist von Cagliostros Ausführungen, den Stein der Weisen gefunden zu haben, entflammt und möchte den Wissenschaftler in ihre Dienste nehmen. Feri von Lieven kommt mit seinen Ermittlungen nicht weit, denn die Herrscherin betrachtet das vorgewiesene Schreiben der Infantin als plumpe Fälschung.

3. Akt:

Zur „Türkenschanze“ zurückgekehrt, erfährt Cagliostro durch seine Gefährtin Lorenza, dass der Gehilfe Blasoni seinen Dienst verlassen und die geheimen Aufzeichnungen der diplomatischen Affäre mitgenommen habe. Die Informationen sind in die Hände Feris gelangt, der nun die Kaiserin von der Schuld des Intriganten überzeugen kann und der Festnahme des Schurken nichts mehr in den Weg stellt. Maria Theresia entrüstet sich, gibt Cagliostro aber freien Abzug, wenn er die Infantin aus der Hypnose entlässt, damit die Blockade der Prinzessin aufgehoben ist, den Erzherzog zum Gemahl zu nehmen. Der Übeltäter hat keine andere Wahl, als sich dem Willen der Herrscherin zu beugen, um dann mit einem Freiballon schleunigst zu entfliehen, bevor Majestät es sich anders überlegt.

Von der glücklichen Entscheidung profitieren beide Paare. Konditormeister Teiglein zeigt Interesse an Frau Adami. Baron Schnucki ist von seinem Eheversprechen entlastet. Die Mitgift wird frei für Feri und Annemarie.

Hintergrundinformation

Der Inhaltsangabe der Operette seien einige historische Ausführungen über das abenteuerliche Leben des berüchtigten Hochstaplers, Wunderheilers und politischen Intriganten nachgetragen. Alessandro von Cagliostro hat die Länder des nahen Ostens und Europas bereist und mit seinen Ränken die Großen seiner Zeit in Atem gehalten. Weshalb sollte er nicht in Wien gewesen sein, um sich mit Baron Schnucki auseinanderzusetzen? Johann Strauß beginnt mit einer Ouvertüre, ebenmäßig und wohlgefällig, die den wahren Charakter des Unsteten eher vernebelt als nachzeichnet, um seinen Aktivitäten in der Donaumetropole ein Denkmal zu setzen. Der burleske Inhalt der Operette wird dem fragwürdigen Genie, den seine Frechheit oftmals auch im Stich lässt, nicht gerecht. Auf Veranlassung des Klerus hauchte er schließlich in der Festung San Leo unter dem Würgegriff des Henkers sein skandalöses Leben aus.

Giuseppe Balsamo, wie der Abenteurer korrekt heißt, wurde im Armenviertel von Palermo als Sohn eines kleinen Handwerkers geboren. Den aufgeweckten Sprössling steckten die Eltern in ein Kloster, damit er die Arzneikunde erlerne, um sich in der Krankenpflege nützlich zu machen. Im Konvent Caltagirone bekam er vom Klosterapotheker den ersten Unterricht, seltene Mixturen herzustellen. Der junge Eleve begriff blitzschnell und viel und hatte sehr bald heraus, wie man mit „Wunderkuren“ zu Vermögen gelangen kann. Des Klosterlebens überdrüssig, von der Verwandtschaft verstoßen und von der Strafbehörde gejagt, begab Giuseppe sich ins Ausland, um seinen Aktionsradius durch ein Studium der Alchemie zu erweitern.

Zu diesem Zweck bereiste er Persien, Arabien und Ägypten und machte sich dort mit etlichen weiteren Grenzwissenschaften vertraut. Den letzten Schliff bekam er von dem Griechen Althotas. Entsprechend präpariert, konnte er nun das Wagnis eingehen, dem Großmeister des Malteserordens seine Dienste anzubieten. Schon bald stand der Hochstapler im Ruf, ein Goldmacher zu sein, und die Höfe von Rom und Neapel nahmen Notiz von ihm, denn Gold ist immer zu gebrauchen. Als Alessandro, Graf von Cagliostro, verstand er es, auf gesellschaftlichem Parkett zu glänzen und sich in das Vertrauen einflussreicher Personen einzuschleichen. Auch bei den Damen hatte er einen Stein im Brett.

Sein weibliches Spiegelbild war Lorenza Feliciani, die er in Rom heiratete, und ähnlich Doktor Eisenbart reiste er mit ihr und seinem Planwagen durch Europa, um Liebestränke, kosmetische Mixturen, Wunderrezepte und anderes für teures Geld an den Mann oder die Frau zu bringen. Seine Wege führten ihn durch Holland und Kurland, durch Polen und Russland – eigentlich gibt es keine Region, welche Cagliostro nicht durchquerte. Seine Hände hatte er überall im Spiel. In London hatte er sich in die Freimaurerloge eintragen lassen und in Paris wurde er mit Marie Antoinettes Halsbandaffäre in Verbindung gebracht. Vorübergehend stattete er der Bastille einen unfreiwilligen Besuch ab. Das Schlimmste passierte ihm aber in Rom. Die Inquisition griff sich den Gotteslästerer und steckte ihn in die Engelsburg. Das Todesurteil wurde in lebenslange Haft umgewandelt, die er auf der Feste San Leo verbüßen sollte. Weil er ständig meuterte und krakeelte, verlor einer der Wärter die Geduld und einige behaupten, dass er den Gefangenen eigenhändig ins Jenseits befördert habe.


Letzte Änderung am 25.11.2009
Beitrag von Engelbert Hellen