Giuseppe Saverio Mercadante (1795-1870):

Emma d'Antiochia

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: vor 1834
Uraufführung: 8. März 1834 in Venedig (Teatro la Fenice)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 160 Minuten
Erstdruck: Firenze: Ricordi, 183x (Auszüge)
Bemerkung: In der Zeit von 1834 bis 1861 wurde die Emma in fast allen italienischen Metropolen sowie in Lissabon und Barcelona inszeniert. Zuletzt gab es eine Aufführung in Malta und danach war fast 170 Jahre lang Pause. Im Jahre 2003 nahm die Royal Festival Hall in London mit Nelly Miricioiu in der Titelrolle den Faden wieder auf. Die überwältigende Inszenierung ist auf Tonträger festgehalten.

Saverio Mercadante produzierte im Wettbewerb mit Gaetano Donizetti Opern auf Bestellung am laufenden Band. Emma d’Antiochia ist eine Primadonnen-Oper unter vielen, die es aber wert ist, wieder gehört zu werden. Es handelt sich um ein kompliziertes Seelendrama, in welchem die Beteiligten im Würgegriff des Schicksals keine Möglichkeit haben, einer Tragödie zu entrinnen.

Felice Romani gab als Libretto-Fabrikant sein Bestes und verstand es, seelische Ergüsse auszuwalzen und in eine vollendete Form zu bringen. Die Charaktere sind sorgfältig modelliert und folgen einem logisch aufgebauten Handlungsfaden. Geboten wird Belcanto auf höchstem Niveau.

Zur Oper

Art: Lyrische Tragödie in drei Akten
Libretto: Felice Romani
Sprache: italienisch
Ort: Tyrus in Syrien
Zeit: 12. Jahrhundert

Personen der Handlung

Emma: Prinzessin von Antiochia
Corrado di Monferrato: Graf von Tyrus
Adelia: Corrados Tochter
Ruggiero: Corrados Neffe, mit Adelia verlobt
Aladino: Muslimischer Sklave im Gefolge Emmas
Odetta: Hofdame Adelias

Handlung

1. Akt:

Odetta und den übrigen Mädchen scheint es, als ob ihre Herrin traurig sei, obwohl sie dazu überhaupt keinen Grund hat. Ihr Cousin Ruggiero hat mit Zustimmung des erhabenen Vaters um ihre Hand angehalten. Doch wie kann sie sich darüber freuen, wenn sie weiß, dass er einmal eine andere geliebt hat und sie nicht den ersten Platz in seinem Herzen einnimmt? Über die Frage der Mädchen, ob Adelia den Purpur von Tyrus dem brillanten Damast vorzieht, möchte diese jetzt wirklich nicht nachdenken. Ruggiero hat ihr versichert, dass er nur sie liebt, und dieser Spruch sollte ihr im Moment eigentlich genügen, aber ein nagender Verdacht lässt sich nicht verscheuchen.

Warum schwimmt sie in Tränen? Ist es nicht ein wundervoller Tag, wenn der geliebte Vater von einem siegreichen Feldzug gegen die Sarazenen zurück erwartet wird? Eifrig hält man Ausschau, ob die siegreichen Schiffe am Horizont nicht bald auftauchen werden. Zu ihren Freundinnen hat Adelia volles Vertrauen, und sie schüttet ihr Herz aus. Von Ruggieros eigenen Lippen hat sie vor nicht langer Zeit gehört, dass am Hofe König Baldovinos von Jerusalem sein Herz für eine hohe Dame entflammt war. Sie wurde ihm entrückt, aber Adelia ist sich nicht sicher, ob sich die Erinnerung an diese Liebe nicht in sein Herz eingraviert hat. Nicht wirklich fühlt sie sich von Ruggiero geliebt! Unbeobachtet hat der Ritter den Dialog unter den Freundinnen mitgehört und gibt sich gekränkt. Erneut erfüllt er Adelias Bitte und versichert ihr seine grenzenlose Zuneigung. Sein Herz gehört nur ihr, und sie soll Zweifeln keine Beachtung schenken. Ihre Aufgabe soll es sein, in Zukunft einen besseren Mann aus ihm zu machen.

Die Kriegsschiffe haben angelegt, und der Vater geht an Land. Die Menge jubelt ihm zu und beglückwünscht ihn zu seinen diplomatischen Erfolgen. Der Himmel hat ihn zurückgebracht, und Pauken und Trompeten erklingen zu seinem Ruhm. In seine eigenen Hallen zurückgekehrt, öffnet er die Arme, um die geliebte Tochter und den teuren Ruggiero an sein Herz zu drücken. Möge der edle Vater sie niemals mehr verlassen. Er hofft es auch. Das Königreich Italien hat er gestärkt, Solima für seine Ideen gewonnen, dem Prinzen von Syrien einmal mehr die Meinung gesagt und die wilden Sarazenen bezeugen ihm seinen Respekt.

Eine Überraschung für alle! Corrado hat sich trotz seines hohen Alters noch einmal vermählt. Zur Stabilität des Friedens zwischen Tyrus und Antiochia hat er sich zu diesem Opfer entschlossen. Für Adelia ist die Gleichaltrige nun Souveränin sowie auch Stiefmutter - für ihn ist sie sein Eheweib. Oh Vater!

Alle sind nun gespannt, wer die noble Dame ist. Der Theaterbesucher ahnt es: Emma d’Antiochia – wer sonst. Saladino, ihr Leibsklave, schreitet voran, und dann betritt Emma mit ihrem Hofstaat die Szenerie. Völlig aus dem Häuschen ist Ruggiero. Es ist die Dame, die er bei Hofe in Jerusalem geliebt hat. Emma soll das charmante Kind umarmen, fordert der Vater. Die beiden Frauen versprechen sich, immer lieb zu einander zu sein. Corrado stellt Ruggiero als Bräutigam seiner Tochter vor. Auch den Zukünftigen soll die Stiefmutter umarmen. Aber weshalb tut die Neue so entgeistert? Ihre sichtliche Nervosität bleibt den Umstehenden nicht verborgen. Kennen die beiden sich etwa? Nein, versichert Emma, aber der junge Mann schaut Emmas Bruder erstaunlich ähnlich, und nun fühlt sie sich an den Toten erinnert. Emma wird das Glück der Liebenden nicht durcheinander bringen und entschuldigt sich bei der Bevölkerung für ihren emotionalen Anfall.

Ruggiero gelingt es, Aladino zu fassen zu bekommen, den er aus Jerusalem kennt. Der Vertraute Emmas soll seinem zerschnittenen Herzen raten. - Alles erdulden und Ruhe bewahren! Nicht nur das Herz des edlen Ritters ist betrübt! Erdulden? Wie stellt der Einfältige sich das vor? Es ist nicht die Aufgabe eines machtlosen Sklaven, Seelenstärke zu verleihen! Nun, liebt er seine Herrin? Mehr denn je! Wird er in Treue zu ihr halten? Der Himmel gab sie ihm als Sonne. Kann er ein Geheimnis hüten? Wie kann der Herr daran zweifeln?

Also gut, sie werden gemeinsam zu Emma gehen, und Aladino soll es einrichten, dass er empfangen wird. Welche Hoffnung macht sich der Herr? Er hat keine Erwartung. Er möchte die Geliebte noch einmal sehen und dann abreisen. Ist er sich seines Herzens auch wirklich sicher? Ruggiero weiß, dass er in fremdem Land den Tod finden wird. Der edle Ritter soll nicht verzagen, Aladino wird ihm zu Diensten sein, aber vor dem Abgrund, der sich vor ihm auftut, gibt es keine Flucht. Ruggiero beharrt darauf, dass er fortgehen wird; in die Hände eines bösen Schicksals wird er sich begeben. Zufrieden und glücklich ist er, wenn die Stationen seines Leidens bis hier her dringen. Der Tod wird ihm süß vorkommen, wenn die Vorkommnisse Emma einen Seufzer entlocken. Eine Liebe, welche sich auf das Gefühl der Verzweiflung reduziert, wird keine großen Emotionen auslösen, erwidert Aladino.

Emma sinkt erschöpft auf einen Stuhl. Sie ist allein und endlich in der Lage zu weinen - zu weinen aus Liebe. Ein fremder Gott, der sie getrennt hat, brachte Ruggiero an diese Küste. Wie hat es sie getroffen, als sie ihn nach fünf Jahren der Trennung wieder sah.

Aladino berichtet Emma, dass Ruggiero ihn angesprochen und er zugesagt habe, ihm eine Unterredung zu vermitteln. Es sei unumgänglich, ihn anzuhören, denn er kommt, ihr ein letztes Lebewohl zu sagen. Oh ja, er soll fliehen und sich davonstehlen. Fliehen möchte sie auch, sich verstecken vor dem Licht des Tages, Schutz suchen für die Zeiten der Not. Emma ist gereizt, und es entwickelt sich zwischen beiden ein Dialog, der ihre ganze Hilflosigkeit zeigt, einem übermächtigen Schicksal angemessen zu begegnen. Welchen Plan hat Ruggiero im Sinn? Keinen Plan, seine Gefühle seien erkaltet. Er weiß, dass sie hier ist – er weiß, dass er sie sieht – er weiß, dass er sie hört. Bestürzt fragt sich Emma: Wo sind sie? Wo ist er? Wo sind sie beide? Kann er die Vergangenheit vergessen? Nein, nichts hat er vergessen. Alles hat er gespeichert in seinem Gedächtnis, die kurzen Tage, die ihnen vergönnt waren. Das Leid hat sie getrennt. Emma protestiert: Himmel und Erde haben ihre Klagen vernommen seit dem verhängnisvollen Tag, an dem man sie gewaltsam auseinander gerissen hat. Ein unerbittliches Gesetz gab sie einem anderen. Und was war mit ihm, will sie wissen. Er wurde betrogen, er war verzweifelt. Man berichtete ihm, Emma sei glücklich in einer neuen Verbindung. Traurig durchkreuzte er Länder und Meere, verfolgt von dem Speer des Schicksals, der ihn verwundete. Hier hoffte er Heilung zu finden und wurde gepeinigt, mehr als zuvor.

Emma wird konkret: Was ist mit Adelia? Liebt er sie? Wird er sie zum Altar führen? Er schätzt ihren Liebreiz und freut sich an ihrer Zuneigung. Er glaubte, sie auch lieben zu können. Aber nun sieht er Emma wieder. Schlimm, seine Liebe für die Tochter aus Tyrus ist verschwunden. Emma ist wieder die Königin seines Herzens. Sie setzt ihn mit neuer Leidenschaft in Flammen. Oh, sie soll ihn freigeben von dieser Liebe oder einmal mehr auf ewig die Seine sein.

Diese Eröffnung ist keinesfalls geeignet, zu Emmas Seelenfrieden einen Beitrag zu leisten. Ist der Schreckliche überhaupt in der Lage, sie zu dem aufzubauen, was sie einmal war. Ach, es wird nicht möglich sein, ihre Ketten zu brechen. Ihre Liebe zu Ruggiero wird ihr zur Qual, in der jeder ein Verbrechen sehen muss. Eigennützig erwartet er, in fremden Ländern zu sterben. Aber für sie? Hier ohne Hoffnung auf Erlösung durchzuhalten, bedeutet das Leben grausame Qual.

Emma lebe wohl für immer! Ein grauenhafter Gedanke, den Emma nicht ertragen kann. Die Seele ist nicht fähig, von ihm getrennt zu sein. Im Himmel, wo das Sonnenlicht immer leuchtet und eine kühle Brise weht, werden ihre Seelen sich zum Gesang der Engel miteinander vereinigen.

Corrado freut sich, die beiden im Gespräch zu finden. Auf den besonderen Wunsch seiner geliebten Adelia hat er sich beeilt, die feierliche Zeremonie auszurichten, die seine Tochter mit Ruggiero für immer vereinigen wird. Die Gäste sind bereits in Hochstimmung, und Emma soll kommen, um freudige Zukunftswünsche zu verkünden. Adelia fordert ihren Zukünftigen auf, dem Vater für seine Mühewaltung zu danken. Adelia sieht, wie Ruggiero unbewegt seine Augen auf den Boden richtet. Corrado fällt seine Teilnahmslosigkeit auch auf. Welche geheime Sorge ist es, die ihn an einem solch freudvollen Tag plagt. Der Angesprochene ist verlegen. Aber Emma rettet die Situation und wendet sich scheinbar vorwurfsvoll an die Braut. Welche Furcht ist in ihr? Es gibt kein Geheimnis, keine Sorge, nur außerordentliche Freude erschüttert das Herz. Ruggiero argwöhnt, das Emma ihn täuschen will, und kommt nicht auf die Idee, dass sie vernunftmäßig im Moment lediglich einen Skandal vermeiden will.

Vom Schicksal gebeutelt, lassen die Leidtragenden in einem Quartett ihren seelischen Empfindungen freien Lauf. Emma klagt, das genau in dem Moment, in welchem er sein liebendes Herz ausschütteten wollte und die Hoffnung süße Vereinigung zuließ, das Schicksal sie auf den Boden der Tatsachen zurückholte. In seinem Herzen fühlt Ruggiero widerstreitende Emotionen, die er nicht definieren kann. Nie hätte er geglaubt, dass Gefühle so
kompliziert sein können. Sein schwaches Herz kann sich zu einer klaren Entscheidung nicht durchringen. Wenn Ruggiero in seinem Inneren verstört ist, so ist es jetzt an der Zeit, es seiner Braut zu erzählen, selbst wenn die Information schmerzhaft sein wird. Sie bittet Ruggiero, ihr die furchtsamen Gedanken zu verzeihen. Sie lamentiert ausschließlich aus dem Aspekt grenzenloser Liebe. Die Struktur des menschlichen Herzens ist so beschaffen, dass es dazu neigt, sich selbst zu plagen, ist die Erkenntnis Corrados. Ein ehrliches Herz kann nicht in der Lage sein, das Wort zu brechen. Betrug und Verrat sind Dinge, die in seinen Mauern unbekannt sind.

Die Gäste sind versammelt. Festlich gekleidet produzieren sie gute Laune. Man formatiert sich zur Prozession, um zur Kirche zu eilen. Ruggiero bittet den Himmel, ihm zu raten, was er tun soll. Er steht im Geiste neben sich. Emma und Corrado betonen, dass er keine Furcht haben soll. Mit der wiedergefundenen Geliebten möchte er am liebsten auf der Stelle sterben, weil dann alle Probleme gelöst sind. Der Chor drängt vorwärts. Adelia bettelt um ein Lächeln, er soll sein Gesicht doch ein einziges Mal aufleuchten lassen, damit Licht und Freude in ihr Herz Einzug halten. Wenn er tatsächlich den Wunsch hat, dass Adelia glauben darf, ihr Glück sei vollständig, soll er ihr seine Lippen zuwenden und das Haupt zu einem Kuss senken, damit sie erkennt, dass auch er glücklich ist.

Emma und Corrado wenden sich an Adelia, sie soll Vertrauen in den Geliebten setzen und gelassen bleiben. Ihre Furcht ist ein Fantasieprodukt und von Einbildung geprägt. Zum Altar soll sie schauen, der mit weißen Blumen bedeckt ist. Ihr Herz möge sie freigeben, damit Vertrauen den Weg findet. Das Zittern, von dem seine Seele erschüttert wird, kann sie abwenden, wenn sie in süßer Weise zum Geliebten sprechen und den Ausdruck von Liebe hinzu addieren wird.

Zur Kirche, zur Kirche drängelt der Chor, der sich nicht abschütteln lässt. Die Sterne scheinen, und Liebe bringt diesem Brautpaar eine Nacht, die hoffentlich weniger turbulent ist als der scheidende Tag. Abrupt setzt Emma dem Zögern ein Ende und wächst über sich selbst hinaus. Resolut nimmt sie die beiden an der Hand und schleift sie vor den segnenden Priester.

2. Akt:

Die Musik verstummt allmählich, und die Gäste verlassen das Fest. Die Sterne verbergen ihr jungfräuliches Gesicht, und nur der Abendstern, welcher der Venus geweiht ist, leuchtet mit strahlendem Lächeln in die Kammer der Braut. Mit zitternder Flamme brennen die Fackeln herunter. Ungeduldig fächert die Liebe sie mit ihren Schwingen. Die friedvolle Nacht bringt der Braut keinen Schlaf, sie bringt ihr den Mann – so sieht es zumindest der Opernchor. Aladino wagt nicht, sich selbst zu fragen, was Emma plant. Schlimmes vorausahnend, schaut er ängstlich den kommenden Ereignissen entgegen.

Um sie notfalls zu schützen, ist er Emma mit größter Diskretion gefolgt. Wer vermag besseren Schutz zu bieten als Aladino? Emma fühlt sich verloren, gleich einem ängstlichen wilden Tier drückt sie sich im Schatten und meditiert über schlimme Dinge. Sie hatte geglaubt, fähig zu sein, ihr Herz zu überwinden. Sie selbst führte Ruggiero und Adelia zum Altar, und nun spürt sie, wie sich der Hass in ihrem Herzen ausbreitet. Aladino rät ihr, in ihre Gemächer zu gehen. Glaubt er tatsächlich, dass sie dort Frieden finden wird? Auch die Macht der Reue ist überflüssig, sie zerreißt, aber sie heilt nicht. Aladino hat plötzlich das Empfinden, dass die Augen Corrados sie aus der Dunkelheit beobachten.

Ruggiero befiehlt seinem Diener, sich damit zu beeilen, die Waffen und das Streitross ans Tor zu bringen. Emma ist aufgebracht, dass er fliehen und seine Angetraute zurücklassen will. Er fühlt, dass sein Herz nicht fähig ist, die Unschuldige zu betrügen, sagt er. Ein wütender Gott stößt ihn von ihrem unbefleckten Bett zurück. Am frühen Morgen wird sie sich erheben und ein unglückliches Gesicht präsentieren. Emma höhnt, er soll ruhig fliehen. Keineswegs wird sie versuchen, die Stimme seiner Reue zu unterdrücken. In der Tat hat sie mit sich selbst zu tun und versucht, solch abscheuliches Leid, welches er ihr zufügt, zu ertragen. Es ist ihr Los, und sie hat das Gefühl, dass sie für fremde Schuld büßen muss. Emma soll sich doch beruhigen. In steigender Verzweiflung fährt Emma fort, dass sie ihren bevorstehenden Tod hier erleiden wird. Jedes Wort, jeder Blick von ihrem ungeliebten Mann wird sie wie ein Pfeil verwunden. - Emma soll einhalten. Es verwundet ihm das Herz. Sie Soll mit ihm fliehen, wenn sie sich vor dem furchtbaren Schicksal hier fürchtet. In der Wüste wird sich in Platz finden, der beide bergen wird – tot oder lebendig. Der Ozean in seinen Tiefen wird ihnen entweder ein Asyl oder einen Abgrund bieten.

Ja, sie will ihm folgen. Sie übt Verrat an sich selbst. Wenn das Schicksal sie hinweg fegt und sie von den Kiefern des Todes geschnappt wird, wünscht sie sich, in seinen Armen zu sterben. Ihr unbekanntes Grab wird niemand verfluchen können. Sie wirft sich in seine Arme, doch geistesgegenwärtig springt Aladino herbei, um sie zu trennen, denn Corrado hält es in seinem Versteck nicht länger und nähert sich. Er wird das perfide Paar zur Rechenschaft ziehen und führt bereits die Hand an den Knauf seines Schwertes. Aladino hat seinen Dolch gezückt. Er ist es, der dem hasserfüllten Arm Einhalt gebietet und dem Erzürnten eine kriminelle Tat erspart. Die Rache des Vaters und des Ehemannes, dessen Ehre angegriffen und der in seiner Liebe betrogen wurde, wird beide letzthin doch noch erreichen. Die Situation spitzt sich zu; Ruggiero tut, was praktisch ist. Er fällt seinem Schwiegervater zu Füßen und bereut verzweifelt seinen niederträchtigen Irrtum. Wenn das Schicksal ein weiteres Opfer wünscht, ist Aladino bereit, den Bach fließenden Blutes mit seinem aufzufüllen.

Großer Aufruhr im Palast! Fackelträger eilen herbei. Die trauernde Adelia ruft nach ihrem Vater. Die Fakten lassen sich nicht mehr unter den schmucken Teppich kehren. Oh, die unglückliche Tochter wurde verraten und zurückgewiesen. Schande ist herabgestiegen auf die weißen Haare eines ehrbaren Grafen. Ach, der Vater soll ihnen verzeihen, so wie sie das auch tut. Wenn sie stirbt, so bittet sie um eine letzte Gunst. Es soll auf dem Grabstein vermerkt werden, dass im Buch des Schicksals nicht geschrieben stand, dass sie glücklich werden soll.

3. Akt:

Der Chor ist auf die Fremde in ihren Mauern nicht gut zu sprechen. Sie hat sich in ihre Gemächer eingeschlossen, und man hört kein Seufzen und kein Stöhnen. Corrado wollte einen unvorteilhaften Tausch machen. Jetzt ist er noch unglücklicher als Adelia. Seine Totenblässe erklärt seinen Missgriff. So viele blutende Herzen zur gleichen Zeit hat man im Haus noch nie gesehen.

In der Nacht hat Corrado seine Orientierung verloren. Nun lässt er den eingekerkerten Ruggiero vor sich bringen. Corrado soll nicht erstaunt sein, dass der Übeltäter sein unangebrachtes Verhalten einsieht. Er fleht den Himmel an, der Erzürnte möge ein mildes Strafmaß über ihn verhängen. Corrado gibt die Zusage, dass er in seiner Beurteilung noch milder sein wird, als der Himmel. Nicht als Ranghöherer will er ihn bestrafen. Ebenso sieht er sich mangels jugendlicher Vitalität außerstande, als Ritter gegen ihn zu kämpfen, wie es der Brauch wäre. Überhaupt widerstrebt es Corrado, sein Schwert in das Blut seines schwarzen Herzens einzutauchen. Im Hafen liegt ein venezianisches Schiff, welches in den nächsten Stunden die Anker lichtet. Mit dem Schiff soll er verschwinden, und er will nichts mehr von ihm hören. Sein Name soll verflucht und für immer sollen sie voneinander getrennt sein.

Nein, so soll Corrado nicht von ihm denken, dass er einfach das Weite suchen würde. So übel und so schuldig ist er nicht, die Courage nicht zu besitzen, zu sterben. In diesen Mauern möchte er einen schrecklichen Tod erleiden, aber zuvor Tag und Nacht eines Vaters Fluch vernehmen. - Und was ist mit Adelia? Möchte er den Speer noch tiefer in ihre Brust eindringen lassen und erwarten, dass sie es standhaft erträgt? Ist er sich überhaupt bewusst, welches furchtbare Getränk er ihr gemixt hat? Die ganze Welt sieht, wie sehr er sie gedemütigt hat. Ihr Leben ist sein Leben und ihr Tod sein Tod. Es liegt nun bei Ruggiero, die Ausführungen eines Vaters zu verstehen. Der Gemaßregelte verspricht und schwört, dass er gehen und nie mehr hierher kommen wird, weder im Leben noch im Tod.

Jetzt hat er noch den Abschied von Emma vor sich. Sie hat seinem Selbstgespräch entnommen, dass er beschlossen hat, zu leben. Aber welches anstrengende Leben wird auf die Frau, die er liebt, warten. Wird sie eines Tages Frieden finden? - Frieden nicht, aber Ruhe! Emma hat Corrados Fluch vernommen und steht plötzlich hinter ihm. Hat sie seine Verzeihung auch gehört. Welchen großzügigen Menschen hat er sich zum Feind gemacht. Emma soll fliehen und sich vor ihm verstecken. Wenn er die Blässe ihres Antlitzes sieht, und ihre liebliche Stimme hört, ist seine Tugend im Begriff zu verdampfen. Er soll nichts fürchten, ihre Augen sind trocken von Tränen. Er soll sich beeilen zu verschwinden und keine Bedenken haben. Alles ist durchgestanden, und es ist nutzlos, in Zukunft zu weinen. Welche Absichten hat Emma, was wird sie tun? Ihm ein letztes Lebewohl sagen. Und was wird danach sein? Muss er das wissen? Sie fragt ihn doch auch nicht. Zum Abschied gibt Emma ihm nicht die Hand, und sie hält ein Wiedersehen im Himmel auch nicht für besonders segensvoll.

Aladin ist zur Stelle. Ihr einziger Freund im Leben und im Tod. Was hat er mitgebracht? Gift und Dolch! Nun nehmen die Dinge ihren Lauf. Emma bittet Aladino, sie zu verlassen, weil sie noch beten möchte. Dann nimmt sie den Ring mit dem Pülverchen, schüttet dieses in einen Becher und trinkt. Adelia kommt hinzu, um ihr bittere Vorwürfe zu machen, sieht aber, dass es hierzu zu spät ist. Die beiden Frauen mengen ihre Tränen miteinander. Adelia alarmiert ihren Vater, der froh ist, dass zumindest der Tochter nichts passiert ist und der Himmel sie für ihn bewahrt hat. Das Gift hat seine Wirkung bei Emma getan, ausgestreckt liegt sie auf dem Teppich.

Im Vorzimmer liegt noch eine Leiche. Es ist Aladino, der sich den Dolch in die Brust gestoßen hat, um seiner geliebten Herrin auch im Jenseits dienen zu können. Der Opernchor ist sich mit den Anwesenden einig, dass ein furchtbares Schicksal gewütet hat, vor dem es kein Entrinnen gab.


Letzte Änderung am 25.8.2008
Beitrag von Engelbert Hellen